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Virtueller Arbeitsmarkt Virtueller Arbeitsmarkt: Alles andere als pflegeleicht

Von Eckhard Jäckel 15.02.2004, 14:42

Dessau/MZ. - Regina Quilitzsch und Annett Heinrich hatten zwar schon hin und wieder schlechte Erfahrungen mit dem Arbeitsamt gemacht. Doch das konnte den Enthusiasmus der beiden Existenzgründerinnen nicht bremsen. Nun fühlen sie sich wie von Amts wegen vor die Tür gesetzt. Der Grund ist der neue virtuelle Arbeitsmarkt, eines der teuren Lieblingskinder des kürzlich entlassenen Vorstandschefs der Bundesagentur, Florian Gerster.

"Das Ding ist der Gipfel", schimpft Quilitzsch, die vor knapp einem Jahr gemeinsam mit ihrer langjährigen Kollegin in Dessau eine private "Vermittlungsagentur für Arbeit und Tagesmütter" eröffnet hat. 70 Männern und Frauen haben die beiden seither einen dauerhaften Job verschafft. Und es sollen noch viele mehr werden.

"Gleich am ersten Tag im neuen Jahr fing der Ärger an", berichtet Heinrich. "Da war unsere PIN, die wir erst im Dezember erhalten hatten, schon nicht mehr gültig." Und ohne diese Persönliche Identifikations-Nummer lässt Bea, die Symbolfigur des Internetportals, niemanden im geschützten Bereich der Stellensuchenden recherchieren. Bei der Hotline der Arbeitsagentur erfährt man den kühlen Grund: "Wird die PIN zwei Wochen nicht genutzt, wird sie automatisch gelöscht." Die Weihnachtsfeiertage hätten die beiden Frauen also besser nicht zu Hause sondern im Büro verbracht.

Doch auch mit neuer PIN sind Quilitzsch und Heinrich nicht glücklich. Gerade könnten sie freie Stellen in Dessau für Dachdecker und Lageristen besetzen. Bei der von der Suchmaske geforderten exakten Postleitzahl-Eingabe in der Suchmaske aber läuft gar nichts.

Heinrich fragt deshalb beim örtlichen Arbeitsamt nach. Die Beraterin am Telefon bedauert, sie sei noch nicht eingewiesen. Immerhin aber weiß sie den Namen einer Kollegin in einer anderen Dienststelle, die schon auf Lehrgang war. Die rät dann, es nicht so genau zu nehmen und einfach nur die ersten zwei Ziffern einzugeben. Unter "06" findet das Programm zwar Lageristen, der mit der höchsten "Trefferquote" von 75 Prozent aber kommt aus Witten im Ruhrgebiet.

"Manchmal suchst du dich dumm und dämlich", schimpft Heinrich. Und wenn dann jemand geeignet scheine, müsse man sich nicht nur durch ein langes Bewerberprofil mit zuweilen fragwürdiger Aussagekraft blättern. So sei einer sogar als "pflegeleicht" charakterisiert worden. Auch Tempo sei gefragt, weil das System automatisch jeden "rausschmeißt", der länger als zehn Minuten keine Aktivität zeigt. "Da braucht bloß ein Anruf dazwischen kommen, und schon muss ich wieder von vorne anfangen." Auch die Kontaktaufnahme zu den Bewerbern gestalte sich häufig schwierig. Telefonnummern fehlten, bei angegeben E-Mail-Adressen komme häufig keinerlei Reaktion. Selten passe alles zusammen, was Heinrich (32) und Quilitzsch (42) bei der hohen Arbeitslosigkeit überhaupt nicht verstehen können.

Bea hat den Arbeitsvermittlerinnen vor allem eines gebracht: Viel Zeitverlust. Deshalb hoffen beide auf Abhilfe. Immerhin sind sie Optimisten. Ihre Stellenanzeigen wie auch das Firmenschild sind grün.