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"Verträge von Lissabon" markieren neue Etappe für Europa

13.12.2007, 12:54

Lissabon/dpa. - Alle 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben in Lissabon die neuen Verträge über die Rechtsgrundlagen der Europäischen Union unterzeichnet. Die Verträge sollen die EU-Verfassung ersetzen, deren Entwurf 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte.

Die Neuerungen sind Teil des Bemühens, die Handlungsfähigkeit der EU für den Fall künftiger Erweiterungen zu erhalten. Der Vertrag wird rechtskräftig, wenn ihn alle 27 Mitgliedstaaten ratifiziert haben.

Europa tritt nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der EU-Reform in eine neue Etappe. «Es werden die Voraussetzungen geschaffen, dass der Vertrag überall ratifiziert werden kann», sagte die Kanzlerin am Donnerstag am Rande der Unterzeichnungszeremonie in Lissabon. «Dies ist ein wichtiger Tag für Europa.» Die EU werde sich künftig einheitlicher darstellen können.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte: «Europa wird transparenter, Europa wird demokratischer, und Europa wird effizienter arbeiten können. Das ist es, was dem Bürger in Europa hilft.»

Das Vertragswerk soll die EU-Verfassung ersetzen, deren Entwurf 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte. Die neuen Rechtsgrundlagen sorgen besonders im Bereich Justiz und innere Sicherheit häufiger für Mehrheitsentscheidungen. Die Gipfelrunden bekommen für zweieinhalb Jahre einen EU-Präsidenten. Zudem wird es eine Art EU-Außenminister geben.

Nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs sollen die Reform-Verträge spätestens Anfang 2009 in Kraft treten. Merkel hatte am Mittwoch im Bundestag angekündigt, sie wolle die Ratifizierung möglichst bereits im Mai nächsten Jahres abschließen.

Am Freitag wird sich die Gipfelrunde dann zu einem regulären Arbeitstreffen in Brüssel einfinden. Dann stehen die Kosovo-Frage, der EU-Beitritt der Türkei, die legale Einwanderung und Wirtschaftsfragen auf der Tagesordnung.

Auch wenn die EU mit der Unterzeichnung der Verträge eine schwere Krise überwindet, gibt es weiter sehr unterschiedliche Ansichten über die Zukunft der Gemeinschaft. Auf Drängen von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird am Freitag in Brüssel ein sogenannter Rat der Weisen eingesetzt. Der «Weisenrat» mit hochrangigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik soll bis 2010 Vorstellungen präsentieren, wo die Grenzen der EU-Erweiterung liegen sollen. Sarkozy ist gegen einen Beitritt der Türkei.

Außenpolitisch muss der Gipfel in Brüssel eine gemeinsame Position in der Kosovo-Frage finden. Wie aus der vorläufigen Abschlusserklärung des Gipfels, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt, hervorgeht, wollen die Staats- und Regierungschefs eine Lösung für den Streit um die Unabhängigkeit der südserbischen Provinz vorantreiben. Im Kosovo leben etwa 90 Prozent albanisch-stämmige Menschen, die sich von Serbien lösen wollen.

Als ein wirtschaftspolitisches Thema stehen die dramatisch wachsenden Handels-Ungleichgewichte auf der Agenda. Die EU verlangt mehr Offenheit von großen Partnern wie China. Die Union werde auf mehr Wechselseitigkeit dringen, wie es in der Erklärung heißt. Rechte die für ausländische Wirtschaftspartner in der EU gelten, müssten auch EU-Unternehmen in diesen Dritt-Staaten garantiert sein.

Trotz deutscher Bedenken will die EU eine gemeinsame Einwanderungspolitik. Die Staats- und Regierungschefs werden laut Entwurf der Abschlusserklärung erneut Beschlüsse in dieser Richtung treffen. Eine umfassende europäische Einwanderungspolitik sei angesichts fehlender Fachleute auf den Arbeitsmärkten in der EU nötig.