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Versicherer sehen keinen Bedarf aus Rettungspaket

15.10.2008, 15:03

Hamburg/München/dpa. - Große börsennotierte deutsche Versicherer haben nach eigenen Aussagen keinen unmittelbaren Bedarf aus dem milliardenschweren Rettungspaket der Bundesregierung für die Finanzbranche.

Allianz, die Münchener Rück sowie die zur Talanx-Gruppe gehörende Hannover Rück betonten am Mittwoch, sie hätten keinen Hilfsbedarf. Der Chef der zu den weltweit größten Rückversicherern zählenden Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, rechnet für die deutsche Versicherungsbranche insgesamt mit keinem Notfall aufgrund der Finanzkrise. «Ich erwarte keinen Versicherer in dem Fonds», sagte der Vorstandsvorsitzende am Dienstagabend beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten zum Rettungsfonds für die Finanzbranche.

Wer als erstes angeschlagenes Finanzinstitut in Deutschland Gelder aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch nehme, stellt sich nach Einschätzung Bomhards umgehend selbst an den Pranger - mit entsprechenden Folgen für öffentliches Image, den Aktienkurs und die Kreditwürdigkeit. Anders könnte die Lage nur sein, wenn auf einen Schlag drei oder vier Strauchelnde in den Fonds aufgenommen würden. Die Münchener Rück sieht Bomhard nicht in Gefahr, im Gegenteil: «Wir stehen gut da. Wir sind jetzt derjenige, der aufrecht geht.»

Auch Europas größter Versicherer Allianz benötigt nach eigener Einschätzung keine Hilfe aus dem geplanten Rettungspaket der Bundesregierung für die Finanzbranche. «Die Allianz ist gut kapitalisiert, und wir haben keinen direkten Bedarf», sagte ein Konzernsprecher der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Die Hannover Rück bedarf ebenfalls nach eigener Einschätzung vom Mittwoch keiner Hilfe aus dem staatlichen Rettungspaket. «Wir haben kein Liquiditätsproblem, folglich bedarf es auch keiner Eigenkapitalspritze», sagte eine Sprecherin des weltweit viertgrößten Rückversicherers der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Allerdings werde sich die Lage der Finanzmärkte im Kapitalanlageergebnis widerspiegeln.

Bomhard sieht es als Fehler an, dass die USA die Investmentbank Lehman Brothers pleite gehen ließ. Das sei angesichts der internationalen Verflechtung der Geldmärkte «der Brandbeschleuniger» gewesen. Das von der Bundesregierung aufgestellte Rettungspaket sowie den Gleichschritt in den anderen europäischen Ländern bewertete er als «sehr beachtlich» und absolut notwendig: «Das haben die Amerikaner den Europäern nicht zugetraut.»

Hätte es dieses Programm zum Schutz des Finanzsystems nicht gegeben, «dann wäre es sehr schwer geworden», sagte Bomhard. «Es hätte die Grundfeste der Republik erschüttern können - und kann es noch.» Gleichzeitig ist der Chef der Münchener Rückversicherungs- Gesellschaft aber auch überzeugt, dass nach endgültiger Bewilligung des Rettungspakets noch in dieser Woche vom kommenden Montag an der lebensnotwendige Interbankenhandel wieder in Schwung kommen wird. Seines Wissens nach sind derzeit 180 Milliarden Euro bei der Bundesbank geparkt, die normalerweise in diesem Handel eingesetzt sind.

Die Münchener Rück habe aus der Finanzkrise 2002/03 Lehren gezogen, als der deutsche Aktienmarkt um rund 6000 Punkte auf rund 2000 Punkte einbrach, betonte Bomhard. «Ich habe ein Risikomanagement geradezu ins Unternehmen gedrückt», erläuterte er seine Strategie. Außerdem habe der Rückversicherer sein Kreditrisiko in den vergangenen drei bis vier Jahren massiv zurückgenommen, habe auf Rendite verzichtet - und sei dafür auch noch angegriffen worden.

«Für alle, die Geschäft machen, ist Risikomanagement wahnsinnig lästig», erklärte Bomhard die Haltung vieler Manager. Es sei aber notwendig, und die europäischen Versicherer seien diesbezüglich sehr weit. Anders als Banken analysierten diese Institute immer wieder insbesondere die risikobehafteten Ränder ihres Geschäfts, sagte Bomhard. Die Diskussion um die Haftung von Finanzmanagern möchte Bomhard derzeit zurückstellen, auch wenn die Politik sie werde führen müssen: «Wir müssen erst die Probleme lösen, bevor wir die Schuldfrage klären.»