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Versammlungsverbot Versammlungsverbot: Auch die größte Koalition kann falsch entscheiden

Von Narianne Quoirin 11.03.2005, 18:11

MZ. - Ein derart widerwärtiger Auftritt an der Gedenkstättekönnte und müsste freilich auch nach geltendemRecht untersagt werden - nur nicht ohne denWeg über die Verwaltungsgerichte bis hin zumEilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.Der Gewinn des neuen Gesetzes bleibt gering.Das Risiko hingegen ist groß, dass ein Ausuferndie Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedroht.Denn das Gesetz eröffnet den Bundesländerndie Möglichkeit, ein generelles Demonstrationsverbotfür wer weiß wie viele Gedenkstätten zu verhängen,sofern diese unter die Kriterien für "verboteneOrte" fallen. Da ist juristischer Streit bereitsabsehbar. Welch peinliche Vorstellung, dassdie den Rechtsstaat verachtenden Neonazisvor Gericht obsiegen könnten - eventuell garvor dem Bundesverfassungsgericht, weil derGesetzgeber geschlampert hat.

Kann eine große Berliner Koalition, vereintgegen Rechtsextremismus, überhaupt irren?Sie kann. Denn die Änderungen des Versammlungsrechtsschaffen ein reines Maßnahme-Gesetz, al- soein für den Einzelfall maßgeschneidertes (oderauch zusammengeschustertes) Paragrafenwerk,das auf die NPD abzielt. Aber der Versuch,politischen Extremismus nicht mit Mittelnder Politik, sondern mit dem immer größerenKnüppel des Strafrechts zu bekämpfen, führtin die Irre. Man muss Demonstrationen, wiesie auch heute in Dessau zu erwarten sind,aushalten, sich ihnen stellen.

Seit mehr als zehn Jahren ist das "Verharmlosen"des Holocaust unter bestimmten Bedingungenstrafbar. Das galt den Wohlmeinenden in Deutschlandals proba- te Antwort auf die beispielloseWelle von ausländerfeindlichen Attentatenwie die mörderischen Brandanschläge von Hünxe,Mölln und Solingen. Auf diese Weise sollteeiner "Vergiftung des politischen Klimas"vorgebeugt werden. Doch im Kampf gegen denRechtsextremismus wirkt dieses Rezept wieweiße Salbe.

Im Windschatten erwachsener Weggucker undklammheimlicher Beifallspender haben rechtsradikaleJugendbanden nichts an Gefährlichkeit eingebüßt.Eltern und Lehrer schauen zu, verharmlosendas Treiben als Jugendsünde. Zivilcourage?Fehlanzeige. Terroristen mit Abitur, keinedummen Jungs, wurden diese Woche vom OberlandesgerichtPotsdam wegen einer Brandserie auf Geschäftevon Ausländern verurteilt. Die Richter dokumentieren,dass der Rechtsstaat funktioniert. Die bestehendenGesetze reichen aus, müssen nur konsequentangewendet werden. Damit wäre mehr zu erreichenals mit dem Gesetzes-Aktionismus der großenKoalition in Berlin.