USA USA: BMW rührt Werbetrommel für sein Elektromobil
Los Angeles/MZ. - Der Blick ins Tal ist atemberaubend: West Hollywood, Silver Lake, Los Angeles, Lichter, so weit das Auge reicht. Die Baye-rischen Motorenwerke haben das Anwesen in Beverly Hills für einen Abend angemietet, um ein neues Fahrzeug vorzustellen: den BMW i3, der in den darauffolgenden Tagen auch auf der Los-Angeles-Autoshow zu sehen sein wird.
Dass der Autobauer ein großes Aufhebens macht, kommt nicht von ungefähr. Man mobilisiert die öffentliche Aufmerksamkeit, weil es einerseits um etwas wirklich Neues geht - und andererseits um viel Geld. Begreiflicherweise spricht der Autobauer lieber über die innovativen Aspekte. Als rein stromgetriebenes Fahrzeug stelle der i3 einen "revolutionären Ansatz" für die individuelle Mobilität von Morgen dar. BMW sei zum achten Mal in Folge vom Dow Jones Sustainability Index als "weltweit nachhaltigster Automobilhersteller" ausgezeichnet worden.
Abgesehen vom Wortgeklingel: Es ist schon was dran. Schließlich handelt es sich beim i3 nicht bloß um einen umgerüsteten Benziner. Die Ingenieure haben den i3 als E-Mobil völlig neu konzipiert. Man hat die Batterielaufleistung auf mindestens 100 000 Kilometer erhöht, anschließend sollen die ausrangierten Stromaggregate als Speicher für erneuerbare Energien in Privathaushalten Dienst tun. Man hat ein Parkkonzept mit Ladestationen entwickelt und das Car-Sharing-Modell "Drive now", das in San Francisco mit dem i3-Vorgänger BMW ActiveE erprobt wird. Vor allem aber hat BMW das Konstruktionsgewicht des Neuen um 300 Kilogramm reduzieren können.
Das Herzstück der Leichtbauproduktion befindet sich in Moses Lake im hintersten Nordwesten der USA. Die Ortschaft: 20 000 Einwohner, Holzhäuser in Reihe, Burger-Restaurants, Motels und Tankstellen, eine Kirche und fünf Ampeln. Landschaftlich reizvoll sind der nahe Columbia River und seine Nebenflüsse, die Ende der letzten Eiszeit tiefe Täler in die Einöde gegraben haben.
In den vergangenen Jahrzehnten sind dort insgesamt 60 große Wasserkraftwerke entstanden. Die gewaltigen Turbinen liefern viel mehr Strom, als selbst die 600 000 Einwohner im 200 Kilometer entfernten Seattle benötigen. Energie gibt es also im Überfluss - und zu konkurrenzlos günstigen Preisen. Dies hat BMW dazu bewogen, in Moses Lake 100 Millionen Dollar in ein neues Werk zu investieren. Umgerechnet zwei Cent zahlt der deutsche Autobauer für die Kilowattstunde erneuerbarer Energie, weniger als ein Siebtel dessen, was in der bayeri-schen Heimat anfiele. Der billige Ökostrom wird benötigt, um Carbonfaser-verstärkten Kunststoff (CFK) bei Temperaturen von 1 300 Grad zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen zu können. Das Werk, ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Wiesbadener Kohlenstoff-Spezialisten SGL Carbon, soll ab 2013 jährlich 3 000 Tonnen des extrem leichten und widerstandsfähigen CFK liefern.
Im Anschluss wird das CFK im bayerischen Wackersdorf zu "Teppichen" gepresst und in Landshut zu Fahrgastzellen geformt, die gegenüber einer herkömmlichen Stahlkonstruktionen um 50 bis 70 Prozent leichter sind. Zum Schluss geht es in ein neues BMW-Werk in Leipzig, wo der i3 ab Mitte 2013 vom Band rollen soll. 530 Millionen Euro kosten die neuen Anlagen insgesamt, 1 100 neue Jobs entstehen, mit 400 Millionen Investitionsvolumen und 800 zusätzlichen Jobs profitiert Leipzig am stärksten (die MZ berichtete).
Zum angepeilten Produktionsvolumen heißt es bei BMW zurückhaltend, es werde sich um eine Großserie mit mindestens fünfstelligen Produktionsziffern pro Jahr handeln. Dass sich hieraus ein Risiko ergibt, ist auch den BMW-Leuten klar: Man wird bis zum Produktionsstart rund zwei Milliarden Euro in den i3 investiert haben, bei durchwachsenen Erfolgsaussichten. Konkurrenzprodukte wie der Opel Ampera sind Ladenhüter.
Andererseits braucht BMW die E-Autos schon deshalb, um die EU-Norm für den CO2-Ausstoß 2020 zu erfüllen: Dann darf die Flotte eines Herstellers im Schnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Allein der i3 senkt die Bilanz erheblich. Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnt daher auch: "Der Klimaschutz darf nicht durch verzerrende Flottenbilanzen ausgehöhlt werden."