Unternehmensgründer Unternehmensgründer: Türken sind lieber ihr eigener Chef
Hannover/MZ. - Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg - ein beliebter Spruch nicht nur an Stammtischen. "Keiner redet davon, dass wir 366000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen haben, davon entfallen 30 Prozent auf Deutsche", sagt Ahmet Güler, Vorsitzender des Bundes Türkisch Europäischer Unternehmer (BTEU).
"Wir" - das sind die 2,8 Millionen Türken, die in Deutschland mit türkischem oder deutschem Pass leben und von denen sich mittlerweile 58000 selbstständig gemacht haben, und jedes Jahr steigt diese Zahl um fünf Prozent. "Die Bereitschaft dazu ist bei türkischstämmigen Deutschen viel größer als in der übrigen Bevölkerung", so Güler. Nach dem Mauerfall wurden von türkischen Geschäftsleuten, die meist schon lange in Westdeutschland lebten, in den neuen Bundesländern 1200 Unternehmen gegründet. Davon ist heute laut Güler nur noch die Hälfte übrig. "Sie hatten damals viel Unterstützung durch die Behörden und waren voller Optimismus. Es war ein Schock, als sie dann die Türkenfeindlichkeit spürten."
Noch heute gebe es wegen dieser Angriffe bei türkischen Unternehmern eine große Skepsis vor Investitionen in den neuen Bundesländern. Dennoch zeigen viele Beispiele, wie auch größte Schwierigkeiten überwunden wurden: Mustafa Karanfil eröffnete 1990 als erster Ausländer aus den alten Bundesländern in Rostock ein Geschäft mit Lederbekleidung und Geschenkartikeln - innerhalb kurzer Zeit wurden seine Schaufenster siebenmal eingeschlagen. "Ich hatte damals eine Todesangst. Man hat mich in den neuen Bundesländern nicht als vollwertigen Menschen und Kaufmann anerkannt", so Karanfil, Chef der Kimpex GmbH. Heute hat er in Rostock und Schwerin vier Läden mit 25 Mitarbeitern. Recep Keskin, Inhaber der westdeutschen Betonfertigungswerk Mark GmbH, entschloss sich 1992, ein Betonfertigteilwerk in Gommern bei Magdeburg zu gründen. Von rechtsradikalen Parolen an den Fabrikmauern ließ er sich nicht abschrecken - zum Glück für die heute insgesamt 100 Beschäftigten.
Senol Yegin kaufte die Spekon GmbH in Seifhennersdorf bei Zittau von der Treuhand, wo er Fallschirme herstellen lässt. "Ich habe nicht nur die vorhandenen 100 Arbeitsplätze erhalten, sondern sogar 60 weitere Menschen eingestellt. Das hat mir große Anerkennung bei der Bevölkerung gebracht." Gleichzeitig betont er: "Die Deutschen haben kulturelle Vorurteile."
Wurden in der Vergangenheit vor allem Läden und Restaurants von Türken aufgemacht, gibt es heute immer mehr türkische Handwerker, Bauunternehmer und Dienstleister. "Bei den Neugründungen des letzten Jahres stellte ein deutscher Chef im Schnitt zwei Mitarbeiter ein, ein türkischer aber fünf", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP). Er hofft auf mehr Ausbildungsplätze bei Migrantenunternehmen - schließlich haben 40 Prozent der Türken unter 25 Jahren in Deutschland keine Berufsausbildung.