Unternehmen Unternehmen: Wachsender Markt für Interim-Manager
Gießen/Münster/dpa. - Vor allem inKrisensituationen werden so genannte Interim-Manager geholt, die denKarren aus dem Dreck ziehen sollen. Frauen entdecken den relativjungen Markt als Chance, überhaupt Aufgaben im Top-Management zuübernehmen.
«Im Gegensatz zu Unternehmensberatern haben Interim-ManagerWeisungs- und Entscheidungskompetenzen», erklärt Rüdiger Kabst,Professor für Personalmanagement an der Universität Gießen. «Dasmacht einen gravierenden Unterschied.» Interim-Manager werden gerufenum Vakanzen zu überbrücken, Know-how in ein Unternehmen einzubringenoder Projekte zu leiten, fügt Jens Christopher von derDachgesellschaft Deutscher Interim Manager (DDIM) in Münster hinzu.
Einer Umfrage der Interim Manager-Agentur Ludwig Heuse mit Sitz inKronberg im Taunus zufolge werden die Führungsexperten in ersterLinie dann gerufen, wenn es brennt: In fast 34 Prozent der Fällestehen Sanierung, Restrukturierung oder Krisenmanagement an. Diemeisten Einsätze haben die Manager auf Zeit in der Automobilbranche,danach folgen Verbraucherendprodukte, Investitionsgüter, Handel sowiejüngere Branchen wie Telekommunikation, IT, Media und Elektronik.
Während in den Niederlanden und Großbritannien Posten in denFührungsetagen bereits seit den 80er Jahren auf Zeit besetzt werden,ist Interim-Management in Deutschland noch ein relativ jungesInstrument. «Vor einigen Jahren hat das noch niemand gekannt», sagtKabst. An seinem Lehrstuhl wurden im Jahr 2005 fast 360 Unternehmenzum Einsatz von Interim-Managern befragt. Nur etwa 20 Prozent hattensich in den vorangegangenen drei Jahren einmal externe Führungskräftezur Hilfe geholt. Etwa fünf Prozent wussten überhaupt nichts mit demBegriff anzufangen.
«Wir rechen heute mit etwa 2000 bis 2500 Managern, die Interim-Management professionell betreiben», sagt Christophers. DasMarktvolumen des Bereichs liege derzeit bei 600 Millionen Euro, imJahr 2000 seien es nur 60 bis 80 Millionen Euro gewesen. «Und derWachstumstrend setzt sich fort.»
Interim-Manager seien gut ausgebildete Führungskräfte, diejahrelange Erfahrung in Festanstellung mitbringen, sagt Christophers.Die Branche werde aber jünger - und weiblicher, obwohl derFrauenanteil nur auf etwa fünf bis zehn Prozent geschätzt wird.Weniger als in der gesamten Wirtschaft: Das Statistische Bundesamtgab in der letzten Erhebung im Mikrozensus 2004 den Frauenanteilunter «Top-Führungskräften» mit 21 Prozent an.
Katrin Grunert-Jäger nutzte das Interim-Management, um aufFührungsebenen zu arbeiten, die ihr sonst verwehrt blieben. «Ichhatte eine Stufe erreicht, auf der ich wusste, dass es als Frau nichtmehr weiter geht», sagt 46-Jährige, die eine leitende Position alsInvestmentbankerin in einer großen Bank besetzte, bevor sie sichselbstständig machte. Heute übernimmt die gelernte VolljuristinFührungspositionen in den Bereichen Finanzen, strategischesManagement und Business Development in mittelständischen Unternehmen.Sie schätzt die Stellung als unabhängige Dritte. «Es ist der perfekteBeruf jenseits von Politik und Macht», sagt sie.
Ähnliche Erfahrungen machte Doris Erb. Nach 13 Jahren als oberstePersonalmanagerin in einem großen Konzern gab es für sie keineweiteren Aufstiegsmöglichkeiten. Deshalb machte sich die 55-Jährigevor elf Jahren selbstständig, um eine neue Herausforderung zu finden.Sie fasziniere die Vielfalt der Fragestellungen, dieunterschiedlichen Branchen und Menschen, die sie zu Gesicht bekomme.Durchsetzungsprobleme kennen die beiden Frauen nicht.
«Interim-Manager müssen über Charisma verfügen und extrovertiertsein», sagt Ludwig Heuse. Nur so könnten sie im Unternehmen raschVerbündete finden. «Eigenbrötler haben hier keine Chance». Einegeschlechtsspezifische Diskriminierung gibt es nach Worten von Heuseauf dieser Ebene nicht. «Wer sich dieses Hobby noch leistet, istnicht mehr zeitgemäß.»