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Unternehmen Unternehmen: Heinrich von Pierer oder Der Absturz des Mister Siemens

Von Ulrich Meyer 30.04.2008, 09:38

München/ddp. - Heute werden wohl so manche froh darüber sein, dass Pierer nichtdas deutsche Staatsoberhaupt ist. Die Ermittlungen um die weitverbreitete Korruption bei Siemens, die in seiner Zeit alsVorstandschef um sich griff, hätten das Amt des Bundespräsidentenbeschädigen und die Bundesrepublik in eine Staatskrise stürzenkönnen. Nun ist «nur» Siemens betroffen, der Weltkonzern mit seinenrund 400 000 Mitarbeitern, dessen größter Standort PierersHeimatstadt Erlangen ist.

38 Jahre lang war Pierer ein Siemensianer. Der promovierte Juristbegann 1969 direkt nach dem Studium in der Rechtsabteilung undarbeitete sich schließlich bis 1989 in den Unternehmensvorstand vor.Parallel dazu saß Pierer von 1972 bis 1990 für die CSU im ErlangerStadtrat. 1992 begann seine Zeit als «Mister Siemens», wie Pierergerne bezeichnet wurde. Er rückte an die Konzernspitze vor.

In der Anfangszeit als Vorstandsvorsitzender war von Reformeifernoch wenig zu spüren. Erst der wachsende Druck von Seiten derAktionäre drängte ihn 1998 zum Handeln. Er legte einenZehn-Punkte-Plan vor, in dessen Rahmen sich Siemens aus 50Geschäftsfeldern mit einem Umsatz von 17 Milliarden D-Mark (8,7Milliarden Euro) zurückzog. Mehr als 30 000 Siemens-Mitarbeiterverloren ihren Job. Damals wurden auch die beiden Firmen Epcos undInfineon ausgegliedert. Im Januar 2005 zog sich Pierer - für vieleüberraschend - als Siemens-Vorstandschef zurück und wurdeAufsichtsratschef.

Nur wenige Monate später, im September 2005 wurde dieStaatsanwaltschaft in einem anonymen Brief von Korruption in derSiemens-Kraftwerkssparte informiert. Während das Unternehmen zunächstnoch versuchte, das als Einzelfall darzustellen, weiteten sich dieErkenntnisse der Fahnder immer weiter aus. Aktuell spricht die mitinternen Ermittlungen betraute Rechtsanwaltskanzlei Debevoise &Plimpton davon, dass sie in nahezu alle untersuchtenSiemens-Geschäftsbereichen und in zahlreichen Ländern Verstöße gegenAnti-Korruptionsvorschriften entdeckt habe.

In diesen Strudel droht nun auch Pierer, der bislang von derMünchner Staatsanwaltschaft nicht als Beschuldigter behandelt wurde,zu geraten. Sein Amt als Aufsichtsratschef hat der heute 67-Jährigebereits im April 2007 abgeben müssen, nachdem ihm kaum noch jemandzugetraut hatte, die zahlreichen Schmiergeldaffären rückhaltlosaufzuklären. Hinzu kam auch noch die Affäre um Zahlungen an die alsGegenorganisation zur unbequemen IG Metall gedachteArbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB).

Inwieweit Pierer persönlich in diese Affäre verstrickt ist, istweiterhin offen. Doch von seinem Nimbus in der Öffentlichkeit als derdeutsche Vorzeigemanager ist bereits jetzt nichts mehr übrig. Denn,selbst wenn er wirklich nichts von dem Netz schwarzer Siemens-Kassenwusste, in das mindestens 1,3 Milliarden Euro verschwanden, dann hater zumindest seine Aufgabe als Konzernchef nicht erfüllt.