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Uni Halle Uni Halle: Begegnung mit der Realität

Von JULIA KLABUHN 07.12.2010, 17:06

Halle (Saale)/MZ. - Deutsche Sätze, rät Thi Bich Thao Ta ihren Schülerinnen, kann man gut wie einen Liedtext lernen. "Ich wasche mein Geschirr in der Spüle ab" - in einem leichten Singsang trägt Ta das Beispiel vor. Die Vietnamesin erinnert sich noch gut daran, wie sie selbst Deutsch gelernt hat. Fünf Jahre ist das her. Nun gibt die Studentin zwei Flüchtlingsfrauen aus dem afrikanischen Togo Sprachunterricht. Ihr Einsatzort ist das Flüchtlingsfrauenhaus Halle. Seit November arbeitet die 27-Jährige hier ehrenamtlich.

Thi Bich Thao Ta ist eine der Studenten, die in diesem Semester das Studienmodul "Engagiert studiert" an der Universität Halle belegt haben. Bachelorstudenten aller Fachrichtungen können hier mit ehrenamtlichem Engagement Leistungspunkte für ihr Studium sammeln. Und zwar im Bereich "Allgemeine Schlüsselqualifikationen". Das Ziel: Sozialkompetenzen stärken und theoretisches Wissen aus dem Studium in der Praxis anwenden. Neben der ehrenamtlichen Arbeit belegen die Studenten Seminare zu Themen wie Projektmanagement, Präsentation und interkulturelle Kommunikation.

Möglich ist das in Halle seit 2007 in jedem Wintersemester. Dieses Jahr wurde das Programm allerdings um einen neuen Schwerpunkt erweitert: Ausländische Studenten sollen verstärkt einbezogen werden. Deshalb ist jetzt auch Ta ehrenamtlich aktiv. Das Vorhaben wird für zwei Jahre vom Akademischen Austauschdienst gefördert.

Als Kind habe sie immer gesagt, dass sie anderen Menschen helfen wolle, wenn sie mal viel Geld hat, erzählt Ta. "Ich habe zwar als Studentin immer noch kein Geld. Aber ich habe Zeit, und auch damit kann ich anderen Menschen helfen." Zweimal in der Woche verwendet sie diese Zeit jetzt, um den beiden Flüchtlingsfrauen zu erklären, wie man in Deutschland zurechtkommt: Bei Behörden, beim Arzt, auf dem Bahnhof, beim Fragen nach dem Weg auf der Straße.

"Die internationalen Studierenden sollen mit der ehrenamtlichen Arbeit eine weitere Gelegenheit haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren", sagt Ines Jaschinski-Kramer, die das Projekt "Engagiert. Studiert" in der Freiwillige-Agentur Halle-Saalkreis leitet. Die Freiwilligen-Agentur ist bei der Organisation des Studienmoduls Partner der Uni Halle. Sie bringt ihre Kontakte und Erfahrungen auf dem Gebiet der ehrenamtlichen Arbeit ein.

Dass Ta im Rahmen dieses Integrationsangebots an sie ihrerseits Ausländern hilft, sich zu integrieren, ist eher Zufall. Denn die Einsatzstellen, die die Freiwilligen-Agentur für deutsche und internationale Studenten sucht, sind breit gefächert: Die Teilnehmer arbeiten als Trainer in Sportvereinen ebenso wie beim Tierschutzverein, in Kindergärten ebenso wie in Seniorenheimen oder im Hospiz.

Insgesamt zehn ausländische Studenten sind im ersten internationalen Durchgang von "Engagiert. Studiert" dabei. Größtenteils, so Jaschinski-Kramer, seien das Studenten, die mehrere Jahre hier studieren. Ta absolviert in Halle einen kompletten Studiengang: Interkulturelle Europa- und Amerikastudien. In ihrer Heimat Vietnam, wo sie in der Hafenstadt Hai Phong aufgewachsen ist, hat sie vorher Französisch studiert.

Ta findet, dass auch sie sehr von dem Unterricht profitiere: "Ich kann sowohl Französisch, die Amtssprache im Togo, als auch Deutsch anwenden." Außerdem habe sie gelernt, sich sicherer auszudrücken und selbstsicher mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Das Studienmodul sei insgesamt eine gute Idee. Und gerade ausländische Studenten biete es einen großen Vorteil. "Internationale Studenten haben es sonst nicht einfach, ein Praktikum zu finden", sagt Ta. Vor allem aber mache die Arbeit Spaß. Deshalb will sie im Frauenhaus auch weiter unterrichten, wenn das Studienmodul im Februar endet. Das, sagt Jaschinski-Kramer, sei häufig der Fall. "80 Prozent der Teilnehmer engagieren sich weiter." Sie freut sich immer wieder, zu sehen, wie gut die Begegnung der theoretisch ausgebildeten Studenten mit der Realität klappe. Denn rund die Hälfte der Studenten hätten vorher mit der Zielgruppe ihrer Projekte noch nie etwas zu tun gehabt, sagt Jaschinski-Kramer. Es komme dann vor, dass die Physikexperiment für Kindergartenkinder dann im Realitätstest scheitern oder die Arbeit mit Demenzkranken die Teilnehmer eine hohe Frustrationstoleranz abverlange. Und doch, die Rückmeldungen seien fast immer positiv und das Engagement gehe weiter.