Umweltfreundliche Autos Umweltfreundliche Autos: Deutsche Automobilindustrie hat komplett verschlafen
BERLIN/MZ. - Man hat gnädiger Weise auch zwei heimische Erzeugnisse auf dem Pflaster zwischen Spree und Bundespresseamt abgestellt, einen grauen VW-Touran sowie einen Smart in Perlweiß, als umweltschonende Aushängeschilder der deutschen Automobilindustrie. Oder als ermunternde Vorbilder, auf dass "deutsche Autos wieder besser dastehen", wie Gerd Lottsiepen, Verkehrsexperte des alternativen Verkehrsclubs VCD, am Dienstag im Presseamt sagt.
Denn unter ökologischen Gesichtspunkten sind die Produkte hiesiger Konzerne denen fernöstlicher Hersteller weit unterlegen. Unter den Top Ten der umweltfreundlichsten Automobile, die der VCD seit nunmehr 20 Jahren ermittelt, befinden sich acht aus Japan, eines aus Südkorea und, auf Rang sieben, der VW-Polo 1.2 TDI BlueMotion 87g. "Der Fortschritt bei deutschen Autobauern ist eine Schnecke", klagt Lottsiepen. Und die Klage scheint berechtigt.
Fast 400 aktuelle Modelle hat der VCD unter die Lupe genommen und neben zehn Besten aller Kategorien auch Hitlisten für die Kompaktklasse, Familienautos, Sieben-Sitzer und die klimaschonendsten Autos mit dem geringsten Ausstoß des Treibhausgases CO erstellt. Stets flossen vier Kriterien in die Gesamtnote ein - Kohlendioxid-, Lärm- und Schadstoffemissionen sowie Naturbelastung - und fast durchgängig landeten japanische Fahrzeuge auf den vorderen Plätzen. Die Kompaktklasse wird vom Lexus CT 200h mit Hybridantrieb angeführt, der zudem Gesamtsieger wurde. Es folgen der Toyota Auris Hybrid und der Honda Insight Hybrid. Als bestes Familienauto wird der Toyota Prius Hybrid gelistet. Vordere Ränge belegen die Hybrid-Toyotas auch unter den Klimabesten. Hier führt zwar der Smart mit 86 Gramm CO pro Kilometer, die glatt doppelt so großen Japaner stoßen aber ebenfalls nur 87 bis 89 Gramm aus. Allein bei den Sieben-Sitzern haben Europäer die Nase vorn, VW mit drei Touran-Modellen auf den Plätzen eins, drei und fünf, ergänzt um den Renault "Grand Scenic Energy dCi 130 eco" auf Rang zwei und den Citroen "Grd. Picasso e-HDi 110 EG6C Airdr" zwei Plätze dahinter. Insbesondere die in Deutschland entwickelte Voll-Hybrid-Technologie, bei der die Bremsenergie zum Antrieb eines Elektromotors genutzt wird, haben die deutschen Hersteller nach Ansicht des VCD komplett verschlafen. Stattdessen setze man weiter auf schwere Limousinen und PS-starke SUV.
In der Folge habe die Branche das selbst gesteckte Ziel, den durchschnittlichen CO-Ausstoß aller Neufahrzeuge bis 2008 auf 140 Gramm pro Kilometer zu senken, bei weitem verfehlt. Dass Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, unlängst damit warb, die in den ersten sieben Monaten des Jahres verkauften Neuwagen blieben durchschnittlich unter 150 Gramm CO, stößt bei Lottsiepen auf Verbitterung: "Das ist, als würde Bayern München die letzte Saison als vollen Erfolg feiern." Mithin seien politisch verbindliche Vorgaben zum Klimaschutz notwendig: Das EU-Ziel, bis 2020 den durchschnittlichen CO-Ausstoß der Neuwagen auf 95 Gramm zu senken, müsse unbedingt erreicht werden. Auch 80 Gramm seien machbar. Für Direkteinspritzer seien die gleichen Schadstoffgrenzwerte einzuführen wie für Dieselfahrzeuge.
