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Traurige Helden Traurige Helden: Baby trinkt Alkohol der Mutter mit

Von Silvia Zöller 25.04.2003, 17:37

Halle/MZ. - Alkohol und Schwangerschaft - dass dies nicht zusammenpasst, ist keine neue Erkenntnis. Dennoch kommen nach Expertenschätzungen jährlich rund 2 000 Kinder mit schwersten alkoholbedingten Schäden in Deutschland auf die Welt.

Mehrere Mütter solcher schwerstgeschädigter Babys, deren Symptome als "fetales Alkoholsyndrom" (FAS) zusammengefasst werden, hat auch der Gynäkologe Dr. Sven Seeger als Geburtshelfer an der Uniklinik Halle betreut: Neben äußerlichen Kennzeichen wie Kleinwüchigskeit und kleiner Kopf, kurzer, abgeflachter Nase oder dünner Oberlippe hatten diese FAS-Kinder auch irreparable Herzfehler, Hirnschäden und Fehlbildungen des Skeletts. "Mit Sicherheit sind aber leichte Schädigungen sehr viel häufiger als dies angenommen wird", glaubt Seeger.

Noch immer ist Alkohol in der Schwangerschaft in Deutschland ein Tabuthema. "Wenn die Mutter schon wieder nüchtern ist, schwimmt das Baby noch immer im Alkohol", erläutert Seeger plastisch. Während sich der Alkohol im Blutkreislauf der Mutter relativ schnell abbaut, geht er über die Placenta auch ins Fruchtwasser über. Zwar hat das Ungeborene bis zur zwölften Schwangerschaftswoche ein Enzym entwickelt, das - wenn auch im geringeren Maße als ein Erwachsener - Alkohol abbauen kann.

Aber über das Fruchtwasser nimmt das Kind immer wieder Alkohol auf. Weil Alkohol die Zellteilung hemmt, schädigt er das Ungeborene auf der ganzen Bandbreite. "Das Gehirn ist aber das sensibelste Organ für Alkoholschäden", sagt Seeger, "denn es entwickelt sich während der ganzen Schwangerschaft." Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität oder eine verzögerte geistige Entwicklung sind die Folge. Die umgekehrte Schlußfolgerung, dass beispielsweise alle hyperaktiven Kinder alkoholgeschädigt sind, ist allerdings falsch: "Für die Mehrzahl dieser Auffälligkeiten gibt es noch viele andere Ursachen", erläutert der Gynäkologe.

Viele Ratgeber empfehlen werdenden Müttern, auf jegliches Glas Wein zu verzichten, doch Oberarzt Seeger meint: "Ein gelegentliches Glas jenseits der 16. Schwanger- schaftswoche ist kein Risikofaktor." Täglich zwei Gläser seien jedoch schon zu viel. "Man geht davon aus, dass 60 bis 100 Gramm reiner Alkohol täglich zu schweren Alkoholschädigungen beim ungeborenen Kind führen kann", zitiert Seeger Untersuchungsergebnisse.

Übrigens wurde die erste bislang bekannte wissenschaftliche Abhandlung zum Thema Frauenalkoholismus und Schwangerschaft 1737 an der halleschen Universität verfasst. Johann Christian Göhrs promovierte damals mit dem Thema "De ebrietate foeminarum" bei Professor Alberti. Die Aufzählung der Symptome in der Arbeit überrascht durch seine noch heutige Gültigkeit bis hin zur Feststellung, dass die Missbildungen als charakteristisch für den Alkoholmissbrauch aufzufassen sind.

Weitere Infos im Internet unter www.fasworld.de