Tourismus Tourismus: Senioren erobern den Reisemarkt

Hamburg/dpa. - Machten die über 60-Jährigen 1994 noch 21,6 Prozent aller Reisendenaus, so stellen sie heute mit rund einem Drittel der Urlauber dengrößten Anteil. Und ihr Anteil wächst weiter: Bis 2010 wird die Zahlder Reisenden, die älter sind als 60 Jahre, um 1,6 Millionen auf rund15,5 Millionen zunehmen, prognostiziert die ForschungsgemeinschaftUrlaub und Reisen (FUR) in Kiel.
Ältere Menschen gelten in der Reisebranche als Musterkunden. Sieverreisen öfter und länger, legen mehr Wert auf Qualität und geben imVergleich zur Gesamtbevölkerung mehr Geld aus: 888 Euro, und damit 55Euro mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung, ließen sich dieSenioren nach Berechnungen der FUR 2005 ihre Urlaubsreise kosten. Daswaren 18 von insgesamt 53 Milliarden Euro, die die Bundesbürger imvergangenen Jahr für Reisen ausgegeben haben.
Trotz der Bedeutung, die ältere Menschen für dieTourismuswirtschaft inzwischen haben, vermeidet es die Branche, dieSenioren direkt als solche anzusprechen. «Das ist ein hoch sensiblesThema», sagt etwa DERTOUR-Sprecherin Anke Dannler. Die Erfahrungenhätten gezeigt, dass sich die Kunden nicht in diese Schublade drängenließen. Denn das Selbstverständnis der Älteren ist ein anderes: Siefühlen sich jünger als sie sind und wollen sich mit dem Eintritt insRentenalter nicht zum alten Eisen abstempeln lassen. Seniorenreisen -das klingt nach Tanzabenden, Kurkonzerten und Bastelkursen.
Diese Attribute werden den Senioren auch nicht mehr gerecht. Siesind laut FUR im Urlaub aktiver als der Durchschnitt der Bevölkerung:Sie gehen öfter wandern, machen mehr Ausflüge und zeigen mehrInteresse an Kultur und Geschichte des Urlaubslandes als die jüngerenReisenden. Strandbesuche, Einkaufsbummel und Ruhepausen sind ihnendagegen nicht so wichtig.
Ihr Reiseverhalten ist jedoch verschieden. Die einen zieht esjedes Jahr an den Strand, andere bevorzugen den Wanderurlaub. «DieSenioren sind keine homogene Gruppe», sagt Jan-Hendrik Böhn,Geschäftsführer der DRK Reise-Service GmbH, die seit 1997 Reisen fürSenioren anbietet. Die Wünsche der Kunden seien geprägt von denpersönlichen Reisegewohnheiten, die sie im Laufe ihres Lebenserworben haben und die sich im Alter kaum noch ändern. Viel hängeauch von den Lebensumständen und der körperlichen Fitness ab.
Entsprechend unterschiedlich sind die Ansprüche der Senioren: Dieeinen wünschen sich den Rundumservice inklusive Freizeitgestaltung,andere buchen nur das Hotel und stellen ihr Urlaubsprogramm selbstzusammen. Über 70-Jährige wünschen sich während des Urlaubs einemedizinische Betreuung, auf die junge Pensionäre noch verzichtenkönnen. Ältere Paare verreisen gern zu zweit, alleinstehende Rentnersuchen dagegen öfter die Gesellschaft anderer.
Die Tourismusindustrie hat sich darauf eingestellt und bietet fürjeden Reisetyp das passende Angebot. «Wir nähern uns über dasReisemotiv den Kunden», sagt Michael Oczko von der TUI. Drei Gruppenhat er ausgemacht: die Aktivurlauber, die viel wandern undFahrradtouren unternehmen, die Kulturinteressierten, die bevorzugtStudien- und Entdeckerreisen buchen, und die Älteren, die gern inGemeinschaft verreisen.
Eigens für diese Gruppe hat TUI den «Club Elan» gegründet. In elfHotels rund ums Mittelmeer können Senioren mehrere Wochen«überwintern». Auf 700 000 Kunden schätzt Oczko das Marktpotenzial inDeutschland. Auf die hat es auch der Konkurrent Neckermann abgesehen,der unter der Marke «Club Vital» sieben Hotels für Langzeiturlauberam Mittelmeer anbietet.
Andere Urlaubsangebote, deren Marktanteile in der Altersgruppezukünftig zunehmen werden, sind Wellness-Touren, Kultur-, Städte- undStudienreisen - vor allem im Ausland. Deutschland bleibt zwar auch inZukunft das beliebteste Reiseziel älterer Menschen. Doch der Anteildes Inlandstourismus in dieser Altersgruppe wird zurückgehen: 2015,so die Schätzung der FUR, werden 66 Prozent der 70- bis 80-Jährigenihre Haupturlaubsreise im Ausland verbringen. Heute sind es etwasmehr als 50 Prozent.
Die Busreiseveranstalter sind schon ein Stück weiter. «70 Prozentder Busreisen führen bereits ins Ausland», sagt Susanne Uhlworm vomInternationalen Bustouristik Verband (RDA). Busse sind besonders beiälteren Menschen ein beliebtes Transportmittel. Rund 60 Prozent derBusreisenden sind älter als 60 Jahre. Die Branche hat sich auf dieBedürfnisse älter Menschen eingestellt. «Gepäckabholung, derTransport von Haustür zu Haustür und medizinische Betreuung gehörtbei vielen Anbieter zum Standard», sagt Uhlworm.