Tourismus Tourismus: Reisebranche blickt mit Sorge auf WM 2006
Frankfurt/Main/dpa. - In der Branche geht die Sorge um, dass die ansonsten soreiselustigen Deutschen ihren Urlaub im nächsten Sommer wegen Ballack& Co vor dem Fernseher verbringen. Nicht nur BranchenprimusTUI hat deshalb Ideen vorgestellt, um Fans und Verweigerer derFußball-WM zum Reisen zu reizen.
Mit Schnäppchenpreisen im Juni und speziellen Programmen will TUIdie Kunden locken. So sollen etwa ausgesuchte Hotels einenstörungsfreien Fernsehempfang garantieren. Für das Gastgeberlandselbst wurde der Extra-Katalog «Deutsche Städte im Fußballfieber»aufgelegt. Die Auswirkungen der Fußball-WM seien noch sehr schwerabzuschätzen, sagte TUI Deutschland-Chef Volker Böttcher. Noch seiunsicher, «ob es Geschäft bringt oder kostet».
Skeptisch ist der Reiseveranstalter REWE-Pauschaltouristik (ITS,Jahn Reisen, Tjaereborg): Er rechnet für 2006 mit einem gebremstenUmsatzplus durch die Fußball-Weltmeisterschaft. «Viele Bürger werdenzu Hause bleiben wollen», sagte Pauschaltouristik-Chef DietmarKastner. Auch der Hauptveranstalter des Thomas Cook-Konzerns,Neckermann, befürchtet dies - und bietet «Fußball-WM-Specials» wiezwei Wochen Urlaub zum Preis von einer an oder Übertragungen aufGroßbildleinwänden in den Hotels. Einer Umfrage zufolge planen nuracht Prozent der Deutschen eine Urlaubsreise während dieser Zeit.
Analysten dagegen erwarten meist keine bedeutenden Auswirkungender Fußball-WM vom 9. Juni bis 9. Juli auf die Urlaubsindustrie. DasGroßereignis falle nicht in die Hauptreisezeit der Deutschen, sagtNils Lesser von Merck Finck. «Es gibt bestimmt den einen oderanderen, der nicht verreist, und der Großteil wird alles vor demFernseher verfolgen. Aber im Zweifel verreisen die Menschen später.»Dies habe sich schon bei der WM 2002 in Asien gezeigt.
Leicht dämpfend werde sich das Großereignis auf die Reiselust ganzsicher auswirken, sagt ein anderer Branchenbeobachter. «Und bei denReisekonzernen wird auf jedes Prozent Wachstum geguckt.» Nach derheftigen Krise ist die Branche gerade erst seit zwei Jahren wiederauf Erholungskurs. «Man muss sehen, ob das Geld statt in eine Reisein andere Kanäle wie einen neuen Fernseher geht.»
TUI habe viel Zeit gehabt, um sich auf ein Ereignis diesesKalibers vorzubereiten, sagt Per-Ola Hellgren von der LandesbankRheinland-Pfalz. «Als Marktführer kann die TUI eventuelle Verluste inDeutschland weitgehend dadurch kompensieren, dass sie ausländischeFans nach Deutschland bringt.» Gerade die Billigflugtochter Hapag-Lloyd Express dürfte hiervon profitieren. Eine Reisedelle während derWM würde eher die kleineren Anbieter treffen, meint Hellgren.
Positiv werten Analysten, dass die Konzerne wegen der WM ihreKapazitäten vorsichtiger kalkulieren. «Gerade zu hohe Kapazitätenwaren ja in den vergangenen Jahren ein Problem», sagt Achim Wittmannvon der LBBW. Selbstverständlich werde das Sportereignis die Menschendazu verleiten, zu Hause zu bleiben. «Aber sie werden deshalb kaumauf ihren Urlaub verzichten. Der Effekt dürfte daher überschaubarsein.»