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Tötung eines 35-Jährigen Tötung eines 35-Jährigen in Chemnitz: Blanke Wut im Netzt nach Freilassung eines Tatverdächtigen

18.09.2018, 17:57
Die deutsche und die kubanische Flagge, zahlreiche Blumen und Kerzen wurden an der Stelle niedergelegt an der ein junger Mann erstochen wurde.
Die deutsche und die kubanische Flagge, zahlreiche Blumen und Kerzen wurden an der Stelle niedergelegt an der ein junger Mann erstochen wurde. dpa-Zentralbild

Chemnitz - Eine Frau wickelt eine Grabkerze aus und zündet sie an, zwei Passantinnen betrachten den Gedenkort. An der Stelle, wo vor rund drei Wochen in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher getötet wurde, ist am Dienstagabend alles friedlich.

In den sozialen Netzwerken wird dagegen verbal aufgerüstet. Wenige Stunden zuvor hatte das Amtsgericht Chemnitz bekannt gegeben, dass einer der drei Tatverdächtigen im Fall der tödlichen Messerattacke auf den 35-jährigen Daniel H. auf freien Fuß gesetzt worden war.

Kein dringender Tatverdacht: Haftbefehl gegen Iraker aufgehoben

Von einem dringenden Tatverdacht gegen den irakischen Beschuldigten könne derzeit nicht weiter ausgegangen werden, sagte Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart. Der Haftbefehl wurde deshalb aufgehoben. Seinem Verteidiger Ulrich Dost-Roxin zufolge fand der Haftprüfungstermin aus Sicherheitsgründen nicht am Amtsgericht Chemnitz statt, sondern war an einen anderen Ort verlegt worden.

Der ebenfalls tatverdächtige 23-jährige Syrer bleibt dagegen in Haft. Gegen ihn habe sich der Tatverdacht verdichtet, wie Burghart sagte. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem ebenfalls 22 Jahre alten Iraker, wird weiter mit Hochdruck gefahndet.

Viele Fragen sind seit der Gewalttat offen. Klar ist: Daniel H. starb vor rund drei Wochen durch Messerstiche, zwei weitere Männer wurden schwer verletzt. Zum genauen Tathergang jedoch gibt es nach den Zeugenaussagen kein stimmiges Gesamtbild, wie Verteidiger Dost-Roxin sagte. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Verteidiger wollten auf Nachfragen Details dazu bekannt geben. Nach der Tat kam es in Chemnitz mehrmals zu Demonstrationen, bei denen auch Neonazis und Hooligans mitliefen.

Todesfall in Chemnitz: kein Personenschutz für entlassenen Tatverdächtigen

Der Aufenthaltsort des aus der U-Haft entlassenen Irakers ist unbekannt. Der Mann bekommt laut Innenminister Roland Wöller (CDU) wohl keinen Personenschutz. Nach Angaben seines Verteidigers Dost-Roxin wurden aber Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. „Die halte ich für verhältnismäßig und für gut“, betonte der Strafverteidiger.

Er kritisierte die sächsische Justiz scharf. „Das gravierend Schlimme an diesem Fall ist, dass die vollziehende Gewalt, aber auch die Rechtsprechung, also in dem Fall die Gerichte, die Unschuldsvermutung über Wochen mit Füßen getreten haben.“

Im Netz gab es nach der Bekanntgabe auf der Facebookseite der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz viele negative Kommentare zu der Freilassung. „Das grenzt doch schon an Anstiftung zur Selbstjustiz!?!“, heißt es dort etwa. Für Freitag hat Pro Chemnitz zu einer weiteren Kundgebung aufgerufen.

„Wenn sich die Beweise nicht erhärten lassen, wird ein Haftbefehl wieder aufgehoben. So funktioniert Rechtsstaat!“

Auf Twitter äußerte sich unterdessen auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Ein unabhängiges Gericht ordnet gegen einen Tatverdächtigen Untersuchungshaft an“, schrieb Kretschmer. „Wenn sich die Beweise nicht erhärten lassen, wird ein Haftbefehl wieder aufgehoben. So funktioniert Rechtsstaat!“ Die Ermittlungen zum Tötungsdelikt liefen weiter auf Hochtouren, versicherte Kretschmer.

Wie kann es nun weitergehen für den aus der Haft Entlassenen? Die Ermittlungen müssten nun zeigen, ob es einen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklageerhebung gebe, sagte die Strafrechtlerin Ines Kilian aus Dresden. Sollte das nicht der Fall sein, werde das Verfahren eingestellt. Dann könnte der Mann wie jeder andere auch Haftentschädigung verlangen - das sind pro Tag 25 Euro, so die Expertin vom Deutschen Anwaltverein. (dpa)