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Todesstrafe gegen Saddam Hussein Todesstrafe gegen Saddam Hussein: Für das Chaos im Irak hat Urteil kaum Bedeutung

Von Birgit Cerha 05.11.2006, 17:11

Kairo/MZ. - Auch das Land wird keinen Frieden finden.

Im Gegenteil. Schon die ersten Reaktionen auf die Urteilsverkündigung nähren die Befürchtung, dass die Gerichtsentscheidung die Kluft in der Gesellschaft noch vergrößern wird. Dabei geht es nicht um die im Westen diskutierte generelle Legitimität oder Verwerflichkeit der Todesstrafe, sondern vielmehr um alte Rechnungen und neue Interessen.

Viele Schiiten jubeln. Sie erlitten, wie die Kurden, unermessliches Leid unter Saddams Diktatur. Auch die Kurden feiern. Sie hoffen aber, dass der gestürzte Diktator nicht zu schnell hingerichtet wird, damit er in dem nun folgenden Prozess um den Massenmord an mehr als hunderttausend Kurden 1988 noch verurteilt werden kann. Die sunnitische Minderheit - bis zum Sturz Saddams die staatstragende Schicht im Lande - fühlt sich dagegen vom "neuen Irak" ausgeschlossen. Für sie ist der nationale Versöhnungsplan der Regierung nur noch Makulatur.

Doch selbst unter den von Saddam gequälten Volksgruppen stößt das Todesurteil nicht auf einhellige Begeisterung. Die blutige Anarchie, die das Land immer tiefer in den Strudel reißt, lässt auch so manchen alten Gegner und Opfer des Ex-Diktators die Verbrechen der Vergangenheit als harmlos erscheinen. Damals, so heißt es vielerorts, hatten wir zu essen, konnten unsere Kinder ohne Sorge zur Schule schicken. Heute sind wir auf Schritt und Tritt mit dem Tode bedroht. Diese Situation und der durch die Besatzung verletzte irakische Nationalstolz lässt den alten Hass selbst auf diesen brutalen Despoten mitunter vergessen.

Zudem findet auch im Irak - wie in weiten Kreisen der arabischen Welt - die Kritik unabhängiger Beobachter an der fehlenden Fairness des Prozesses offene Ohren. Tatsächlich hat Iraks Regierung keinen Hehl aus ihrem Wunsch nach einem Todesurteil gemacht. Auch deshalb haben viele westliche Regierungschefs am Sonntag wohl lieber geschwiegen, als sich zum Urteil zu äußern.

Alles in allem freilich dürfte die Gerichtsentscheidung das Chaos im Irak nicht wesentlich verändern. Die Chancen der Regierung, eine Kooperation mit den Sunniten und damit die Basis für eine nationale Versöhnung zu erreichen, sind zwar auf den Nullpunkt gesunken. Auch könnte die Gewalt kurzfristig noch größeres Ausmaß erreichen. Doch der blutige Widerstand ist längst weit über die Anhänger des Ex-Diktators hinausgewachsen. Der Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten sowie zwischen diversen schiitischen Fraktionen hat mit Saddams Schicksal nichts mehr zu tun.