1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Tierhaltung: Tierhaltung: Die Rückkehr des Meißner Landschweins

Tierhaltung Tierhaltung: Die Rückkehr des Meißner Landschweins

Von Hendrik Lasch 16.01.2012, 11:43
Bauer Rolf Merzdorf steht im Schweinestall seines Bauernhofes im sächsischen Mettelwitz zwischen Ferkeln und der Sau 316 der Rasse "Meissner Landschwein". (FOTO: DAPD)
Bauer Rolf Merzdorf steht im Schweinestall seines Bauernhofes im sächsischen Mettelwitz zwischen Ferkeln und der Sau 316 der Rasse "Meissner Landschwein". (FOTO: DAPD) dapd

Mettelwitz/dapd. - Das Mahl besteht aus gequetschtem Kürbis.Es wird mit lautem Grunzen und Schmatzen verzehrt. Sind dieFuttertröge geleert, legen sich das Mutterschwein und das guteDutzend Ferkel im Stall des Vierseithofs in dem Dorf Mettelwitz bei Meißen wieder zur Ruhe. Den Nachwuchs hält es allerdings nicht langean einem Fleck: Während die Sau im Koben liegt, drängen und schiebensich die Ferkel quietschend übereinander, um an ihre Zitzen zugelangen.

Die Szene auf dem Hof von Rolf Merzdorf könnte aus dem vorletztenJahrhundert stammen. Auf dem 1867 gebauten Hof, der in sechsterGeneration im Familienbesitz ist, wurde Ende des 19. Jahrhundertseine Tradition der Schweinezucht mitbegründet, die das Meißner Landweithin bekannt machte.

Die Bauern begannen damals, durch Einkreuzungen englischer Rassendas bis dahin gehaltene Landschwein zu veredeln, das äußerlich nochsehr an Wildschweine erinnerte. Weil die Bevölkerung rasant wuchs,wurden nicht nur wesentlich mehr Tiere benötigt, sondern auch solchemit deutlich verbesserten genetischen Eigenschaften.

Das Landschwein heimste zahlreiche Preise ein

Das Ergebnis war eine neue Rasse, das Meißner Landschwein.Nachdem es auch auf Agrarschauen ausgestellt wurde, heimste eszahlreiche Preise ein. Eine der ersten Urkunden bewahrt Merzdorfneben vielen späteren Auszeichnungen im Flur seines Hauses auf. 75Mark, so ist auf dem reich verzierten Dokument zu lesen, erhielteiner seiner Vorgänger, der 1888 in Breslau einen ersten Preisgewann.

Mit der Ehrung würdigten die Experten ein «frühreifes,frohwüchsiges, fruchtbares Landschwein», wie es später in derFachliteratur hieß. Zu dessen Merkmalen gehören große Schlappohren,ein langer, tonnenförmiger Körper und glatte, weiße Haare.

Diese Beschreibung trifft auch auf die Tiere in Merzdorfs Stallzu, obwohl es sich genau genommen nicht mehr um Meißner Landschweinehandelt, wie Hartmut Tischer betont. Die Rasse sei «im strengenSinn» in den 1930er-Jahren in anderen Landrassen aufgegangen, sagtder Fachmann vom Mitteldeutschen Schweinezuchtverband.

Dennoch bemühen sich Landwirte der Region seit einigen Jahrendarum, an die große Tradition der Schweinezucht im Meißner Landanzuknüpfen. In ihren Ställen stehen Tiere, denen die Verwandtschaftzum Meißner Landschwein deutlich anzusehen ist. Exakt 120 Jahre nachGründung der ersten Zuchtgenossenschaft im Jahr 1888 wurde 2008 eineZucht- und Vermarktungsgemeinschaft ins Leben gerufen, die Tischerleitet.

Nach dreijähriger Arbeit beteiligen sich bereits zehn Bauernhöfean der Zucht, die langsam erweitert wird. Im großen Stil und umjeden Preis solle sie nicht wachsen, betont Tischer: Das MeißnerSchwein, das durch Ohrmarken mit eigens entworfenen Signet alssolches ausgewiesen ist, bleibe vorerst eine kulinarische Rarität,die zur Region gehören solle wie das Porzellan aus der MeißnerManufaktur, sagt Tischer.

Koteletts so groß, dass sie kaum auf den Teller passen

Derzeit hängen geräucherte Schinken und andere Produkte nur indrei Fleischereien in Meißen, Triebischtal und Torgau. Spezialitätenvom Meißner Schwein kommen zudem in einigen Restaurants der Regionauf den Tisch. Genießer merkten, dass sie etwas Besonderes auf demTeller haben, berichtet Merzdorf: Bei Verkostungen gerieten dieTeilnehmer regelmäßig ins Schwärmen. Das wollen sich die MeißnerSchweinezüchter auch schwarz auf weiß bescheinigen lassen: Noch imersten Quartal 2012 soll eine eigens in Auftrag gegebenewissenschaftliche Studie zur Fleischqualität vorliegen.

Bis dahin werden Kürbisse, Rüben und Kraftfutter dafür gesorgthaben, dass die Ferkel aus Rolf Merzdorfs Stall gehörig gewachsensind. In einem guten Jahr werden sie es auf stolze 200 Kilogrammbringen. Dann werden sie zu Schinken, Würsten oder Kotelettsverarbeitet.

Über die Produkte habe es bisher nur eine Beschwerde gegeben, diefreilich ein verkapptes Lob gewesen sei, berichtet Tischer: DieKoteletts, so habe man in einem Lokal angemerkt, seien derart groß,dass sie kaum auf den Teller passten.