Thale Thale: Landwirte wehren sich gegen Vertreibung
Thale/Halle (Saale)/MZ. - Das Schild "Landwirtschaftliche Schutzfläche" gerät unter den Mulcher und wird zerschreddert. "Das hat eine tiefe Symbolik", sagt Albrecht Kloß, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Warnstedt. Seine Mitstreiter reden von der "Raps-Soap", die hier am Rande des Thalenser Ortsteils abläuft. Nach dem gescheiterten Versuch in der Vorwoche, als eine Gerichtsvollzieherin eine Feldräumung abbrach, weil die Vermessungsunterlagen fehlten, scheint man am Dienstag gut gewappnet. Selbst die Polizei ist prophylaktisch angerückt. Viel wichtiger noch: Ein Vermessungstrupp befindet sich vor Ort, der schnell zum Einsatz kommen muss, denn jemand hatte die Vermessungspfähle herausgerissen. Gerichtsvollzieherin Katrin Paulix schreitet unter Protesten von Bauern und Anwohnern mit den Vermessern das Flurstück ab. Dann spricht sie die entscheidenden Worte: "Ich setze Sie hiermit außer Besitz der Flurstücke und weise die Stadt Thale ein." Damit geht der Acker ins Eigentum der Stadt über.
Es ist ein weiterer Akt in einem schon länger währenden Streit. Die Stadt Thale, zu der Warnstedt gehört, möchte auf dem Acker ein Gewerbegebiet errichten. Dazu würden 22 Hektar benötigt. Die in Warnstedt ansässige Agrargesellschaft, die das Land bisher bewirtschaftete, wehrt sich vehement dagegen. Sie hat gegen den Bebauungsplan Klage eingereicht. "Dies sind beste Böden, die der Nahrungsmittel-Produktion verloren gehen", sagt Kloß. Der "Verbrauch" der Ackerfläche sei nicht notwendig. Allein im Landkreis gebe es 400 Hektar in Gewerbeparks, die bisher ungenutzt seien.
Kloß hält das, was geschieht, "nicht für rechtens, sondern für einen Akt der Willkür". Er könne jedoch nichts dagegen unternehmen, denn es gebe ein vollstreckbares Urteil. Das Amtsgericht Wernigerode hatte zuletzt entschieden, dass die Agrargesellschaft die Fläche umgehend räumen muss. Kloß verhehlt aber nicht, dass die rechtliche Auseinandersetzung damit nicht beendet ist. "Heute geht dem Gericht die Berufung zu."
Für den Landwirt, dessen Gesicht schwer den Schmerz über die Niederlage verbergen kann, ist "die Fläche nicht groß, aber von großem Wert", wie er sagt.
Die Stadt Thale rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass der neue Gewerbepark zu weiteren Firmenansiedlungen führt. Erste Investoren stünden bereit - Namen werden aber nicht genannt. Die Stadt will zudem nach Abschluss der Erschließungsarbeiten die entstandenen finanziellen Schäden durch illegale Besetzungen gegenüber der Agrargesellschaft geltend machen.
Der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes Sachsen-Anhalt, Fritz Schumann, sieht den Flächenfraß als generelles Problem. "Jedes Jahr gehen in Sachsen-Anhalt Hunderte Hektar wertvoller Ackerboden verloren, weil neue Gewerbegebiete entstehen oder Ausgleichsflächen etwa für Straßenbauprojekte benötigt werden", erklärt Schumann. Der Acker werde jedoch zur Nahrungsmittelversorgung benötigt. Zwar habe die Politik versprochen, sich des Problems anzunehmen. "Passiert ist bisher wenig", so der Verbandschef. Dies gelte nicht nur für Thale. So sollen nach Angaben von Schumann bei Sangerhausen 200 Hektar bester Ackerboden einem neuen Industriegebiet weichen. "Dabei gibt es noch genügend leere Gewerbeparks", meint auch Schumann. In Deutschland gingen so täglich schätzungsweise 90 Hektar Ackerfläche meist unwiederbringlich verloren.