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Tarifrecht Tarifrecht: Trickserei in der Zeitarbeit

Von Eva Roth 26.11.2012, 20:11

Berlin/Köln/MZ. - Eigentlich müssten Leiharbeiter in der Metall-Industrie ab diesem Monat deutlich mehr Geld bekommen. Der neue Tarifvertrag sieht je nach Einsatzzeit Branchenzuschläge von 15 bis 50 Prozent vor. Doch nun erhebt die IG Metall schwere Vorwürfe gegen die Unternehmen: "Viele Verleihfirmen versuchen, die neuen Branchenzuschläge zu umgehen", sagte IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe der MZ. "Auf Leiharbeiter wird Druck ausgeübt, ihre Arbeitsverträge zu ändern, um Lohnkosten zu sparen." Auch der Arbeitgeberverband BAP zeigt sich besorgt und appelliert an die Firmen, den neuen Tarifvertrag einzuhalten.

Mit den neuen Branchenzuschlägen soll die Kluft zwischen den Gehältern der Leiharbeiter und der Festangestellten in der Metallindustrie verringert werden. Damit sollte ein jahrelanger erbitterter Streit über die Bezahlung von Zeitkräften endlich beendet werden. Doch von Betriebsfrieden kann derzeit vielerorts keine Rede sein.

Beispiel Köln: Die dortige IG Metall hat in den vergangenen Wochen etliche Versammlungen mit Leiharbeitern veranstaltet, erzählt der örtliche Gewerkschaftschef Witich Rossmann. Insgesamt hätten 950 Beschäftigte an den Treffen teilgenommen. Was die Leihkräfte berichteten, war alles andere als erfreulich: "Aus nahezu allen Verleihbetrieben bekommen wir jetzt mitgeteilt, dass die Mitarbeiter unter häufig unwürdigen, repressiven Bedingungen gezwungen werden, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben", heißt es in einem Brandbrief der Kölner IG Metall an die Gewerkschaftszentrale.

Der wesentliche Inhalt der neuen Verträge: Alle Bestandteile des Entgelts, die nicht zum Grundlohn gehören, würden zu übertariflichen Zuschlägen erklärt. Die Folge: Die Beschäftigten erhalten am Ende allenfalls ein bisschen mehr Geld. Denn übertarifliche Zahlungen können mit den neuen Branchenzuschlägen verrechnet werden. Angerechnet würden auch Leistungen wie Erschwerniszulagen, bei denen dies eindeutig nicht zulässig sei, so Rossmann.

Manche Leiharbeiter seien in die Personalabteilung einbestellt und aufgefordert worden, die Änderungen sofort zu unterschreiben, sagt Rossmann. Viele hätten dies getan. Denn der Druck ist groß. Etliche Einsatzbetriebe trennen sich zurzeit von ihren Zeitkräften, das Risiko, den Job zu verlieren, wächst.

Der zweite Trick funktioniert ähnlich: "In den allermeisten Versammlungen wurden wir mit falschen Eingruppierungen der Leiharbeiter konfrontiert", heißt es in dem Schreiben der Kölner IG Metall. Schon bislang wurden viele Leihkräfte zu niedrig eingruppiert, erhielten aber tatsächlich ein höheres Gehalt. Nun können die Firmen behaupten, ein Teil des Lohns sei eine freiwillige Leistung und werde deshalb mit den Branchenzuschlägen verrechnet.

Die Kölner Erfahrungen sind keine Einzelfälle. "Aus allen Bezirken wird uns Ähnliches berichtet", sagt IG-Metall-Justiziar Klebe. "Wenn die Verleihfirmen so weiter machen, dann kommt die Branche nie aus der Schmuddelecke raus." Seine Gewerkschaft werde die Mogeleien jedenfalls nicht hinnehmen. Die Betriebsräte in den Einsatz-Unternehmen würden jetzt drauf drängen, dass die höheren Gehälter tatsächlich gezahlt werden. In Richtung Zeitarbeiter verspricht Klebe: "Wer zu schlecht bezahlt wird und klagt, bekommt von uns Rechtsschutz." Auch die Arbeitgeberverbände müssten auf ihre Mitgliedsunternehmen einwirken, damit sie sich an die Tarifregeln halten. Wie viele Leihkräfte von den Branchenzuschlägen nichts zu sehen bekommen, kann die IG Metall noch nicht beziffern.

Der größte Arbeitgeberverband BAP betont, dass alle wussten, dass der neue Tarifvertrag Leiharbeit verteuert. "Ich kann nur eindringlich an die Branche appellieren, den Tarifvertrag einzuhalten", sagt Thomas Bäumer, Vizepräsident des Bundesarbeitgeberverbands. Die Zeitarbeit habe eben erst ihr Image verbessert, jetzt dürfe ihr Ruf nicht schon wieder beschädigt werden.