Tarif-Konflikt Tarif-Konflikt: IG Metall verliert Kampf um 35-Stunden-Woche im Osten

Berlin/dpa. - Die IG Metall hat im Kampf um die 35-Stunden-Wochein Ostdeutschland einer der schwersten Niederlagen ihrer Geschichteeinstecken müssen. Nach vier Wochen Arbeitskampf mussteGewerkschaftchef Klaus Zwickel den Streik am Samstag für gescheiterterklären. Die Arbeitgeber blieben auch in einem 16-stündigenVerhandlungsmarathon hart. In der ostdeutschen Metall- undElektroindustrie mit ihren 310 000 Beschäftigten soll jetzt bereitsan diesem Montag wieder normal gearbeitet werden, also 38 Stunden dieWoche.
Im Gewerkschaftslager setzte eine heftige Auseinandersetzung umdie Verantwortung für das Debakel ein. Insbesondere StreikführerHasso Düvel und der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters gerietenunter Druck. Beide mussten sich am Sonntagabend auf einerKrisensitzung des Gewerkschaftsvorstands gegen Rücktrittsforderungenaus den eigenen Reihen zur Wehr setzen.
«Die bittere Wahrheit ist: Der Streik ist gescheitert», sagte derIG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel nach dem Scheitern derVerhandlungen am Samstag in Berlin. Zum Höhepunkt des Streiks warenin Berlin, Brandenburg und Sachsen bis zu 10 000 Metaller imAusstand. Die Arbeitsniederlegungen hatten auch Folgen fürAutokonzerne im Westen. Bei BMW und VW musste die Produktionangehalten werden.
Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, nach der Klausurtagung desBundeskabinetts im brandenburgischen Neuhardenberg, er sei «sehrfroh», dass der Arbeitskampf zu Ende gehe. Auch andere Politikerbegrüßten das Ende der Proteste.
In den Verhandlungen bis zum frühen Samstagmorgen hatten sich dieArbeitgeber zuletzt zu einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 37Stunden zum 1. April 2005 bereit erklärt. Die Kernforderung der IGMetall nach einem konkreten Stufenplan zur Einführung der35-Stunden-Woche bis 2009 oder spätestens 2011 lehnten sie aberstrikt ab. Beide Seiten machten sich gegenseitig für das Scheiternder Gespräche verantwortlich.
Nun will die Gewerkschaft versuchen, die 35-Stunden-Woche im Ostenzumindest in den größten Betrieben wie VW oder DaimlerChryslerdurchzusetzen. Bislang gibt es erst neun solche Haustarifverträge.Die IG Metall war nach eigener Darstellung bereit, sich im Osten aufeinen «Zeitkorridor» für die Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40Stunden einzulassen. Danach sollte es eine Regelarbeitszeit geben,bei der für einzelne Betriebe Abweichungen nach oben und untenmöglich gewesen wären.
Zugleich begann im Gewerkschaftslager eine Debatte überdie Gründe für das Scheitern. Zwickel verlangte, Konsequenzen fürkünftige Auseinandersetzungen zu ziehen. «Wir werden nicht zurTagesordnung übergehen.» Der Chef des IG-Metall-Bezirks Küste, FrankTeichmüller, forderte einen Neubeginn. «Die Mitglieder erwarten nun,dass es Veränderungen gibt», sagte Teichmüller im NDR. Als ersterOrtsverband forderte die IG Metall Bochum den Rücktritt vonGewerkschaftsvize Peters und Düvels.
Auf der Vorstandssitzung am Sonntagabend in Berlin gab esnach Angaben von Gewerkschaftssprecher Claus Eilrich zunächst jedochkeine Rücktrittsforderungen. Das Gremium hatte sich erst im April aufPeters als Nachfolger von Zwickel festgelegt. Die Wahl soll auf einemGewerkschaftstag im Oktober stattfinden. Wunschkandidat vonIG-Metall-Chef Zwickel wäre der Stuttgarter Bezirksleiter BertholdHuber gewesen. Er soll nach bisherigen Planungen jetzt die Nummerzwei werden.