Tag des Handwerks Tag des Handwerks: Alle Macht dem Hobel
ZEITZ/Halle (Saale)/MZ. - So schaut ein Adler. Nichts entgeht seinem Blick. Nico Schubert sieht, wo angesetzt werden muss. Span für Span hebt der 33-Jährige vom Holz - auf den Millimeter genau. Dann streicht der Tischler mit der Hand über die Oberfläche. Er ist zufrieden und ulkt: "Alle Macht dem Hobel".
Indes, sein Stimmungshoch resultiert nicht allein aus dem einen schönen Werkstück. Es gibt wahrlich einen Grund zum Jubeln, der alle Zünfte feiern lässt: Samstag ist der Tag des Handwerks. Und just an diesem Datum erhält der Hallenser in Zeitz seinen Meisterbrief, gemeinsam mit mehr als 200 weiteren Handwerkern aus dem südlichen Sachsen-Anhalt. Vom Bäcker bis zum Zimmerer - ihnen gemeinsam ist die Leistung, die in bestandenen Prüfungen gipfelt. Den kleinen, feinen Unterschied macht allein die Benotung. Und da liegt Schubert unangefochten an der Spitze. Er ist jetzt der beste Jungmeister des Landes.
Den letzten Beweis seines Könnens liefert das Meisterstück. Prüfer nehmen solche Arbeiten akribisch unter die Lupe. In diesem Fall herrscht unter den sechs erfahrenen Altmeistern seltene Einigkeit: Note 1. Nico Schubert liefert zwar nicht den kostbaren Intarsien-Schreibtisch oder eine ultramoderne Keller-Bar, dafür aber die perfekte Haustür - nach Kundenwunsch. Wer daran zweifelt, kann sich auch selbst ein Urteil bilden. Dazu muss man in den Harz fahren. Dort schützt und schmückt das Unikat ein Castell im Bodetal.
An einem Festtag wie heute darf Nico Schubert noch einmal in Erinnerungen schwelgen: "Ach, das ist eine Arbeit gewesen, wie ich sie liebe." Schon das Material löst bei ihm Freude aus - gutes und schönes Eichenholz, sehr haltbar und extrem wetterfest. Die eigentliche Herausforderung beginnt mit dem Entwurf. Ihm liegt ein Dreiklang zugrunde. Zum einen ist da die Vorstellung des Auftraggebers. Zum anderen sind Haus und und Umgebung genau so wichtig. Seinen Anteil packt Schubert in einen einzigen Satz: "Die Tür muss sich einfügen." Leicht gesagt, aber schwer getan - immerhin ist sie drei Meter hoch, besitzt zwei Flügel, Kleeblatt-Sprossen, diverse Glaselemente und wiegt am Ende 250 Kilogramm. Nicht alles, was der Tischler an seinem Meisterstück kunstfertig demonstriert, ist freilich Alltag in der Werkstatt. Einiges aber schon - und das vor allem deshalb, weil Schubert sich auch in der Denkmalpflege der Region einen Namen macht.
Domäne Denkmalschutz
Jüngstes Beispiel ist die Mitarbeit bei der Sanierung eines mittelalterlichen Gebäudekomplexes in der Rannischen Straße in Halles Stadtzentrum. Nicht nach einem Serienstandard, sondern entsprechend des historischen Vorbildes fertigt Schubert die Fenster. Manchmal hilft, wenn man nach einer selbst entwickelten Schablone arbeitet - zum Beispiel bei unterschiedlichen Radien und komplizierten Rundungen. Manchmal pressen acht und mehr Schraubzwingen die Hölzer zusammen, die zu verleimen sind. Damit am Ende auch wirklich alles passt, misst Schubert lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig.
Aber das sei keine Erfindung von ihm. Vielmehr stammt diese Eigenheit von Bodo Hausberger, seinem alten Lehrmeister. "Unser Chef liebte keine halben Sachen." So habe es für sein Gesellenstück sowohl Lob als auch Tadel gegeben - eben "nur" Note 3. Seitdem sind aber fast 15 Jahre vergangen. "Eine ganze Menge habe ich noch dazu gelernt." So viel, dass Schubert und Mitgesellschafter Robert Günther inzwischen die Nachfolge antreten. Ohne Meisterschule wäre das allerdings gar nichts geworden. Erst damit erhält man nämlich alle Rechte, einen Betrieb zu führen und beispielsweise selbst einen Lehrling auszubilden.
Inzwischen beschäftigt das kleine Unternehmen wieder zehn Mitarbeiter. Auch Schuberts Vater Manfred, einst Tischler in Buna, gehört zur Mannschaft. Er ist mächtig stolz auf den frisch gebackenen Meister. "Wenn ich daran denke, wie Nico mir früher in der Keller-Werkstatt über die Schulter geschaut hat." Und Mutter Ingrid hilft im Büro. Nico Schubert staunt manchmal selbst, wie viel Papier zu bewegen ist, damit der ganze Laden läuft. Aufträge besorgen, Projekte planen und abrechnen - das bleibt aber die Domäne des jungen Chefs, der schließlich auch dafür auf der Meisterschule gewesen ist.
Dicker Fisch an der Angel
Dass der Geschäftsführer sein Metier in dieser Hinsicht beherrscht, ist zuerst an den vollen Auftragsbüchern erkennbar. "Also, eine Krise kenne ich nicht, ist für mich ein Fremdwort", sagt Schubert. Dass viel Arbeit nicht gleichzeitig Überstunden bedeuten müsse, habe etwas mit Organisation und Planung zu tun. Ihm ist das wichtig, weil daheim Freundin Jeanette, Tochter Sarah und seine moderne Angelausrüstung auf ihn warten. Nach der Meisterfeier an diesem Wochenende geht es hinaus an die Saale, wo er bald wieder einen dicken Fisch fangen will.