«Tag der Freude»: Deutschland feiert Mauerfall
Berlin/dpa. - Deutschland und die Welt haben den Mauerfall vor 20 Jahren mit tausenden Gästen als Tag der Freude gefeiert. Bundespräsident Horst Köhler würdigte den 9. November 1989 bei den Feiern in Berlin am Montag als Epochenwende und Wunder.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem der «glücklichsten Tage» in der jüngeren deutschen Geschichte. Der Höhepunkt der Feiern war am Abend ein Fest der Freiheit am Brandenburger Tor. Dort hatten sich schon Stunden zuvor tausende Berliner und Gäste versammelt, um zu sehen, wie eine symbolische Mauer aus rund 1000 riesigen Dominosteinen zu Fall gebracht wird.
Der Bundespräsident bezeichnete den Mauerfall als «Epochenwende zu Freiheit und Demokratie». «Die Mauer war ein Bauwerk der Furcht. Am 9. November vor 20 Jahren wurde sie zu einem Ort der Freude», sagte Köhler am Montag bei einem Staatsempfang im Schloss Bellevue. «Die Welt sah anders aus danach.» Der Wandel habe das Gesicht des Kontinents grundlegend verändert. «Alles hätte anders kommen können, wenn nicht eine mutige Bürgerrechtsbewegung, kluge Staatsmänner wie George Bush, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl, aber wohl auch eine glückliche Fügung, den Weg geebnet hätten.»
Merkel sprach von der «Erfüllung eines Traums» und würdigte den Mut der Menschen in der ehemaligen DDR. «Wir haben am 9. November 1989 das Unmögliche als möglich erlebt.» Sie forderte mehr weltweite Zusammenarbeit. «Diese Welt wird keine friedliche Welt sein, wenn wir nicht zu mehr globaler Ordnung und zu mehr multilateraler Zusammenarbeit finden.» Der UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen werde beispielhaft dafür stehen, ob die Welt bereit sei, gemeinsam zu handeln. «Die spannendste Frage, um Mauern zu überwinden, wird sein: Sind die Nationalstaaten bereit und fähig, Kompetenzen an multilaterale Organisationen abzugeben - koste es, was es wolle.»
Tausende feierten in Berlin
Am Brandenburger Tor standen die Menschen am Abend dicht gedrängt. Merkel, US-Außenministerin Hillary Clinton, der russische Präsident Dmitri Medwedew und Staats- und Regierungschefs aus rund 30 Staaten waren zur Jubiläumsfeier gekommen. Köhler und Merkel riefen die Europäer auf, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen.
Merkel überquerte mit dem ehemaligen sowjetischen Staatschef Gorbatschow, dem früheren Gewerkschafter und polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa, ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern sowie Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Bornholmer Brücke. Der einstige Grenz-Kontrollpunkt war am Abend des 9. November 1989 der erste, über den Menschen aus Ost-Berlin in den Westen strömten.
Der britische Premier Gordon Brown sagte laut Redemanuskript: «Zwei Berlins sind eines. Zwei Deutschlands sind eines. Zwei Europas sind eines.» Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hob das klare Bekenntnis seines Landes zur Deutschen Einheit schon in der Wendezeit vor zwanzig Jahren hervor. US-Außenministerin Clinton hatte den Fall der Mauer als eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dankte dem amerikanischen Volk für die damalige Hilfe.
Köhler erinnerte auch an die Pogromnacht von 1938 und die Verfolgung jüdischer Bürger durch die Nationalsozialisten. «Der 9. November 1938 und der 9. November 1989 sind miteinander verbunden.»
In vielen Bundesländern vor allem entlang der einstigen deutsch- deutschen Grenze erinnerten die Menschen an den Mauerfall. Im einst getrennten Dorf Mödlareuth rief Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Bilder der Freude, des Jubels und der Erleichterung ins Gedächtnis. Zuvor sprach er von einem Triumph der Freiheit. Auch andere Länder erinnerten an den Mauerfall. In London schmolz symbolisch eine Mauer aus Eis. In Paris wurden Tausende zu einer Licht-und Tonschau erwartet. In Rom wurde mit einem Mauerteil auf der Spanischen Treppe gefeiert.
Alt-Kanzler Helmut Kohl nahm an den Feiern nicht teil. Bei einer Feier der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Mauerfall vor gut einer Woche wurde deutlich, dass Kohl noch an den Folgen eines Sturzes leidet. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte vor einer Verklärung Kohls als Kanzler der Einheit. Die CDU reagierte empört.
Walesa stellte die Verdienste des damaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow beim Umbruch in Europa und beim Mauerfall infrage. «Gorbatschow wollte weder den Kommunismus noch die Mauer stürzen», sagte Walesa dem privaten polnischen Fernsehsender TVN24. Wenn solche Menschen glorifiziert würden, «dann bauen wir Europa und die neue Wirklichkeit auf der Lüge auf», sagte Walesa. Für ihn hätten vor allem Papst Johannes Paul II. und die «Solidarnosc» zur Überwindung der Mauer beigetragen.
Die 1961 errichtete Berliner Mauer riegelte den Osten und Westen der Stadt mehr als 28 Jahre lang ab und war Symbol der 40 Jahre währenden deutschen Teilung. SED-Politbüromitglied Günter Schabowski hatte am Abend des 9. November 1989 überraschend die Öffnung der DDR- Grenzen verkündet.