1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Studiengänge für Spezialisten: Studiengänge für Spezialisten: Orchideenfächer sind nicht ohne Risiko

Studiengänge für Spezialisten Studiengänge für Spezialisten: Orchideenfächer sind nicht ohne Risiko

Von Andreas Heimann 13.08.2003, 17:40
Die rund 3600 Jahre alte Sternenscheibe von Nebra im Kreis Sangerhausen. Auf der Scheibe, die Teil des ältesten astronomischen Observatoriums der Menschheitsgeschichte ist, ist eine astronomische Darstellung von Sonne, Mond und Sternen zu sehen. (Archivfoto: dpa)
Die rund 3600 Jahre alte Sternenscheibe von Nebra im Kreis Sangerhausen. Auf der Scheibe, die Teil des ältesten astronomischen Observatoriums der Menschheitsgeschichte ist, ist eine astronomische Darstellung von Sonne, Mond und Sternen zu sehen. (Archivfoto: dpa) dpa

Greifswald/Tübingen/dpa. - Es gibt Fächer, die lassen sich fast überall studieren. Andere Studiengänge dagegen sind so selten, dass es bundesweit nur wenige Dutzend Studenten gibt. Orchideenfächer werden sie landläufig genannt, weil sie so exotisch sind. Die Berufsperspektiven für Absolventen solcher Studiengänge sind nicht immer leicht einzuschätzen. Im besten Fall wird gerade die Entscheidung für die extreme Spezialisierung zum Karrieresprungbrett - im schlimmsten Fall führt sie in die Sackgasse.

Studenten in Deutschland haben die Qual der Wahl: Mehr als 9200 Studienmöglichkeiten an Universitäten und Fachhochschulen gibt es laut der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Bonn, wenn alle Studiengänge und verschiedenen Abschlussmöglichkeiten berücksichtigt werden. Fast immer gebe es an den Hochschulen auch eine breite Palette ganz unterschiedlich großer Fächer, sagt HRK-Sprecherin Susanne Schilden. «Dass es an einer Hochschule einerseits einige Massenfächer und andererseits sehr kleine Orchideenfächer gibt, ist nicht der Regelfall.»

Die Palette an Alternativen zu Allerweltsfächern ist jedenfalls breit: Ob Arabistik und Assyrologie, Finno-Ugristik, Norwegisch, Turkologie, Judaistik, Galloromanistik oder Nordamerika-Studien - es gibt so manchen Studiengang, bei dem nicht nur Oma und Opa eventuell nachfragen müssen, was das denn wohl sei.

Stephan Kessler hat so ein Fach studiert: Baltistik, die Wissenschaft von den baltischen Sprachen - Lettisch und Litauisch also. «Verwechslungen sind gar nicht so selten. Ich bekomme immer wieder Briefe, die ans Institut für Ballistik adressiert sind», erzählt Kessler. Inzwischen lehrt er das Fach selbst und habilitiert an der Universität Greifswald, der einzigen Hochschule, die Baltistik im Angebot hat.

«Es gibt insgesamt 30 Studenten, in allen Semestern zusammen», sagt er. Das ist in Greifswald zwar noch nicht der kleinste Studiengang: «Ukrainistik zum Beispiel hat weniger Studenten.» Aber das Fach ist doch überschaubar: «Die meisten Studenten kennen sich», sagt Kessler.

Und in der Regel geht es in den Veranstaltungen auch familiärer zu als in den Riesenhörsälen typischer Massenstudiengänge: «Man wird nicht einfach in irgendeine Vorlesung gepackt», sagt Axel Posluschny, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Vorgeschichte der Universität Marburg. Rund 100 Studenten sind in dem Fach eingeschrieben, faktisch sind es noch weniger: «Darunter sind auch einige Karteileichen.» Die Zahl der Immatrikulierten schwanke zwar manchmal, sei aber insgesamt erstaunlich stabil. «Erstaunlich, weil die Aussichten doch eher bescheiden sind», so der Wissenschaftler.

Gar keine schlechte Perspektive attestiert dagegen Professor Klaus Antoni den Absolventen des Japanologie-Studiums an der Universität Tübingen. Gerade 140 Studenten gibt es in dem Fach insgesamt. Überfüllte Veranstaltungen wie in Jura die Grundvorlesung Strafrecht seien nicht zu erwarten: «15 bis 20 Teilnehmer sind bei uns ordentliche Arbeitsgrößen», so der Japanologe und Dekan der Fakultät Kulturwissenschaften.

Das Studium sei allerdings zumindest anfangs sehr hart: «Jeden Tag gibt es mehrere Stunden Sprachunterricht und das über zwei Jahre.» Auf solide Japanisch-Kenntnisse wird großer Wert gelegt - alle Studenten machen auch Auslandssemester in Japan. Nach dem Studium eine Stelle an der Uni zu finden, sei eher schwierig. Viele promovierten nach dem Magister. Und wer danach nicht in der Wissenschaft bleibe, eine Stelle in der Kulturarbeit oder bei Medien finde, dem biete sich womöglich eine Chance bei japanischen Unternehmen.

Gute Chancen bei Unternehmen mit Kontakten ins Baltikum sieht Stephan Kessler für die Studenten seines Faches: «Taxifahrer muss von denen keiner werden.» Wenn Lettland und Litauen der EU beitreten, sei Personal gefragt, das sich dort auskennt. Wer sich für eine ausgesprochene Spezialisierung entscheidet, sollte sich das allerdings gut überlegen: «Wie gut oder schlecht die Berufsperspektiven sich entwickeln, ist am Anfang des Studiums kaum einzuschätzen», sagt Axel Posluschny.

Denn wenn der Arbeitsmarkt sehr klein ist, verringern schon kleine Verschlechterungen die Chancen unter Umständen dramatisch. Posluschnys Empfehlung gilt daher nicht nur für die Vorgeschichte: «Man muss solche Fächer schon aus Überzeugung studieren.»