«Stress-Test»: US-Banken brauchen 75 Milliarden
Washington/dpa. - Erleichterung in der US-Finanzwelt: Die größten US-Banken brauchen dem staatlichen Branchen-Belastungstest zufolge deutlich geringere Finanzspritzen als befürchtet.
Zehn von 19 untersuchten Instituten benötigen demnach insgesamt 74,6 Milliarden Dollar (56,1 Mrd Euro) zusätzlich, um ihr Risikopolster zu erhöhen. Die übrigen müssen ihre Kapitaldecke nicht stärken, wie aus den am Donnerstag (Ortszeit) veröffentlichten Ergebnissen des "Stress-Tests" von US-Finanzministerium und Notenbank hervorgeht. Europaweit haben am Freitag morgen Finanztitel mit starken Kursaufschlägen reagiert und alle Indizes ins Plus gezogen.
Finanzminister Timothy Geithner nannte die Resultate "ermutigend". Er sei "einigermaßen zuversichtlich", dass die jeweiligen Banken ihre Kapitallücken auf den Märken und ohne zusätzlichen Staatsgelder schließen könnten. Experten hatte mit einem Kapitalbedarf zwischen 100 und 200 Milliarden Dollar gerechnet. Im nachbörslichen US-Handel legten die Aktien der geprüften Geldinstitute zunächst deutlich zu.
Die umfangreichste Finanzspritze benötigt der Untersuchung zufolge der Branchenriese Bank of America mit 33,9 Milliarden Dollar, gefolgt von der Großbank Wells Fargo mit 13,7 Milliarden Dollar. Dann folgen der frühere Finanzierungsarm des US-Autobauers General Motors (GM) GMAC, (11,5 Mrd Dollar) und Citigroup (5,5 Mrd Dollar).
Die Bank of America will die immense Lücke zur Hälfte mit der Ausgabe von neuen Aktien an Privatinvestoren stopfen. Zehn Milliarden Dollar sollen aus dem Verkauf von Sparten kommen. Wells Fargo kündigte derweil eine Kapitalerhöhung um sechs Milliarden Dollar durch die Ausgabe neuer Aktien an.
Morgan Stanley will sich fünf Milliarden Dollar - davon drei Milliarden Dollar über eine Anleihe - am Markt besorgen. Die Anleihe stößt nach Informationen aus Finanzkreisen auf hohe Nachfrage. Die Citigroup will die benötigten 5,5 Milliarden Dollar durch eine weitere Wandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien einsammeln. Analysten sehen vor allem die Bereitschaft des Marktes, den Banken Geld zu geben, als positiv an. Dies sei ein Vertrauensbeweis.
Banken mit zu wenig Kapital haben nun sechs Monate Zeit, um sich am Markt oder vom Staat frisches Geld zu beschaffen. Entsprechende Pläne sollen die Finanzinstitute bereits bis zum 8. Juni vorlegen. Möglich ist aber auch der Verkauf von Unternehmensteilen oder die Stärkung der Kapitalbasis durch eine Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien, wie dies beispielsweise Citigroup nach Medienberichten bereits mit dem Finanzministerium vereinbart hat. Die untersuchten Banken haben alle eine Bilanzsumme von über 100 Milliarden Dollar.
Finanzminister Geithner gab sich optimistisch, dass die Untersuchung die Fähigkeit der Banken stärkt, den Kreditfluss zu erhöhen. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse "sollten Banken in die Lage versetzt werden, wieder ins Bankgeschäft zurückzukehren". Auch werde es einfacher für Investoren, jeweilige Risiken abzuschätzen und zwischen den Banken zu differenzieren. "Der Stress- Test wird dabei helfen, die Wolke der Unsicherheit, die über dem Bankensystem hängt, durch ein beispielloses Niveau von Transparenz und Klarheit zu ersetzen", sagte der Minister weiter.
"Die heute veröffentlichten Ergebnisse sollten Investoren und der Öffentlichkeit ein beträchtliches Maß Ermutigung geben", sagte Notenbankchef Ben Bernanke. Viele Banken hätten bereits Schritte unternommen, um ihre Kapitalpuffer zu stärken. Zugleich stehe aber auch das Finanzministerium bereit, zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen, wo immer es gebraucht werde.
Bei dem Stress-Test wurden die Geldinstitute in Rechenmodellen verschiedenen wirtschaftlichen Szenarien ausgesetzt, die laut Kritikern allerdings nicht harsch genug ausfielen. "Die Ergebnisse sind weniger akut als mancher erwartet hat", sagte Geithner. Grund sei zum Teil, dass die Sorgen über das Risiko einer schlimmeren Rezession geringer geworden seien, die Lage an den Märkten sich gebessert habe und die Banken in Erwartung der Testergebnisse in den vergangenen Monaten bereits ihr Kapital aufgestockt hätten.
Der Finanzexperte Douglas Elliott vom renommierten Brookings Institut in Washington nannte einen Kapitalbedarf unterhalb der von ihm angenommenen 100 bis 200 Milliarden Dollar "eine gute Nachricht". Man dürfe dies aber nicht überinterpretieren, da die Prüfer bei der Untersuchung "ein hohes Maß an subjektiven Bewertungen über künftige Kreditverluste und Profitabilität" hätten einfließen lassen.