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Steinkohle AG stellt 3600 Mitarbeiter frei

24.02.2008, 17:37

Saarbrücken/dpa. - Nur noch eine Notbesetzung arbeite unter Tage. Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte der «Bild»-Zeitung, dies sei möglicherweise das Ende des Kohlebergbaus im Saarland. Das Beben der Stärke 4,0 hatte am Samstagnachmittag an zahlreichen Gebäuden Sachschäden in zunächst unbekannter Höhe verursacht. Es war das 35. Beben in der Region allein in diesem Jahr.

Ob Kurzarbeit angemeldet werden muss, soll in den nächsten Tagen entschieden werden, sagte die Unternehmens-Sprecherin. Dann hätten die Bergleute mit massiven Einkommenseinbußen zu rechnen. Andernfalls könne die Freistellung auch mit Urlaub oder Überstunden verrechnet werden. Wann und unter welchen Umständen die Arbeit wieder aufgenommen werden könnte, sei noch völlig offen. Gutachter sollen zunächst klären, wie es zu der starken Erschütterung kommen konnte.

Müller sagte der «Bild»-Zeitung (Montag), das endgültige Aus des Kohleabbaus im Saarland sei möglich. «Es ist Sache des Unternehmens, darzulegen, ob die Gefahr für Leib und Leben zweifelsfrei beseitigt werden kann. Wenn dies nicht gelingt, ist aus meiner Sicht eine Wiederaufnahme des Bergbaus nicht möglich.» Sollte die RAG den Betrieb komplett einstellen müssen, gebe es genügend andere Jobs im Saarland für die Kumpel. Auch der Vorsitzende der saarländischen SPD, Heiko Maas, rechnet nach dem Beben mit dem Ende der Steinkohleförderung im Saarland.

Die Landesregierung hatte nach dem Beben einen unbefristeten Abbaustopp für das letzte verbliebene saarländische Bergwerk in Ensdorf verhängt. Müller hatte bei einem Besuch in der Region gesagt, es müsse alles getan werden, um eine weitere «Gefahr für Leben und Gesundheit der Bevölkerung abzuwenden». Im monatelangen Streit um die Zukunft des Bergbaus hatte Müller wiederholt ein rasches, aber sozialverträgliches Ende des Bergwerks Saar gefordert.

Maas sagte am Sonntag, die Situation sei offensichtlich nicht mehr zu kontrollieren. Es «muss davon ausgegangen werden, dass es nicht mehr zur Wiederaufnahme der Steinkohleförderung im Saarland kommen wird.» Um über Lösungen für die betroffenen Bergleute und die Industrie zu sprechen, lud er die Spitzengremien der Partei für diesen Montag zu einer Sondersitzung ein. Die SPD hatte bislang am Bergbau festgehalten und Forderungen nach einem schnellen Ausstieg zurückgewiesen. Grüne und FDP erneuerten ihre Forderung nach einem endgültigen Ende des Bergbaus an der Saar.

Das im Vergleich zu Erdbeben in anderen Staaten leichte Beben löste mehrere Notarzteinsätze aus. So stürzte ein Junge von einer Leiter, zwei Menschen mussten nach Angaben der Polizei wegen psychischer Probleme behandelt werden. Die Höhe der Sachschäden war zunächst nicht abzusehen, bis zum Sonntagmittag seien aber mehr als 250 Schadensmeldungen eingegangen, sagte die Sprecherin.

Durch das Beben wurde unter anderem eine Kirche in Saarwellingen beschädigt. Das Gotteshaus ist jedoch vermutlich nicht einsturzgefährdet. Nach Angaben des Landesverbandes der Bergbaugegner verbrachten 30 Menschen die Nacht zum Sonntag in Hotels, weil sie um die Sicherheit ihrer Häuser fürchteten. In Teilen der Stadt fiel der Strom aus. Das Beben sei im ganzen Landkreis Saarlouis zu spüren gewesen. Die für die Beurteilung der Folgen des Bebens wichtige Schwinggeschwindigkeit erreichte mit bis zu 93,5 Millimetern pro Sekunde einen im Saarland nie zuvor gemessenen Spitzenwert.

Die RAG kündigte an, alle entstanden Schäden «schnell und unbürokratisch» zu regulieren. «Wir entschuldigen uns für alle Folgen, die diese Erderschütterung ausgelöst hat und werden alles tun, um vor Ort zu helfen», sagte RAG-Vorstandschef Bernd Tönjes einer Mitteilung zufolge.

Die Deutsche Steinkohle AG lehnt bislang einen schnellen Ausstieg ab. Ein sozialverträgliches Ende sei vor 2014 nicht umsetzbar. Gegen den Bergbau gibt es im Saarland auch regelmäßig Demonstrationen. Zuletzt gingen am vorvergangenen Samstag in Saarlouis rund 7000 Menschen gegen den Bergbau auf die Straße. Die Betroffenen klagen, die Beben entwerteten und zerstörten ihr Eigentum und zehrten täglich an den Nerven von mehr als 100 000 Menschen.