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Stahl-Fusion Stahl-Fusion: Arcelor und Mittal präsentieren einen neuen Riesen

25.06.2006, 18:36

Luxemburg/dpa. - Beide Seiten zeigten sich nach demmonatelangen erbitterten Übernahmekampf am Montag in Luxemburg mitder erreichten Einigung zufrieden. Das verbesserte Angebot von MittalSteel entspreche «allen Bedingungen, die wir gestellt haben», sagteVerwaltungsratspräsident Joseph Kinsch bei der ersten gemeinsamenPressekonferenz. «Wir haben einen sehr großen Schritt in derStahlindustrie nach vorne getan», sagte der indische StahlmilliardärLakshmi Mittal. Der deutsche Konkurrent ThyssenKrupp beharrtunterdessen auf der mit Mittal verabredeten Übernahme der kanadischenArcelor-Tochter Dofasco.

Die Europäische Union hatte bereits Anfang Juni unter Auflagen derFusion zugestimmt. Der neue Stahlriese wird die weltweitunangefochtene Nummer eins in der Stahlindustrie sein, mit einerJahreskapazität von 120 Millionen Tonnen Stahl, einem Umsatz von 57Milliarden Euro und etwa 330 000 Beschäftigten.

Kinsch betonte, sowohl die weitere Erhöhung der Offerte um zehnProzent auf 25,6 Milliarden Euro als auch Mittals Akzeptanz des«Modells Arcelor» hätten den Verwaltungsrat überzeugt. Nachfünfmonatigem Übernahmekampf hatte Arcelor am Sonntag schließlichzugestimmt. Mit der Einigung ist die Ende Mai noch zur Abwehr vonMittal geplante Fusion mit dem russischen Stahlkocher SeverStalpraktisch vom Tisch.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erwartet keinenegativen Auswirkungen für die deutschen Werke der Unternehmen.«Ich bin überzeugt, dass der neue Konzernverbund Arcelor Mittal diePerspektiven für die deutschen Konzerntöchter in Bremen, Duisburg,Eisenhüttenstadt, Hamburg, Unterwellenborn sowie die Standorte an derSaar spürbar verbessern wird», sagte er. Beide Konzerne beschäftigenin Deutschland etwa 14 100 Menschen.

In dem neuen Unternehmen werden die bisherigen Arcelor-Eigentümer50,5 Prozent halten und die bisherigen Mittal-Aktionäre 49,5 Prozent.Der Anteil der Familie Mittal beträgt 43,6 Prozent. Der Rest ist imStreubesitz. Die Vereinbarung sieht vor, dass Mittals Anteil in dennächsten fünf Jahren nicht über 45 Prozent steigen darf. 6 der 18Mitglieder des Verwaltungsrats werden künftig von Mittalvorgeschlagen. Arcelor-Chef Guy Dollé bleibt vorerst im Amt. Diebisherige Vierer-Geschäftsführung wird durch drei weitereGeschäftsführer, darunter Mittals Sohn Aditya Mittal, ergänzt.Lakshmi Mittal wird Nachfolger Kinschs, wenn dieser aus seinem Amtausscheidet. Bislang läuft sein Mandat bis 2008.

Der Zusammenschluss sei eine «Vernunftehe», sagte Kinsch. «Ichhoffe, dass diese Vernunftehe auch zu einer Liebesheirat unsererbeiden Teams führen wird», sagte der 73-Jährige. Die Fusion sei eine«schwer zu bewältigende Arbeit». Auch Mittal betonte, er hoffe, dassdie Ehe «mit der jungen Braut, die wir in den letzten fünf Monatenumworben haben» von langer Dauer sein werde.

Der indische Konzernchef Mittal nannte die Fusion ein«bahnbrechendes Ereignis, das die Zukunft der Stahlindustrie prägenwird». Es handele sich um eine «Fusion der Gleichen, um das führendeStahlunternehmen der Welt zu schaffen». Der Zusammenschluss werde dieKonsolidierung in der Branche weiter beschleunigen, sagte er.Hauptsitz von «Arcelor Mittal» ist Luxemburg. Das Bar-Angebot wurdeauf maximal 8,5 Milliarden Euro angehoben.

SeverStal-Eigentümer Alexej Mordaschow zeigte sich «sehrverwundert» über die Arcelor-Entscheidung. Er habe einnachgebessertes Angebot dem Verwaltungsrat nicht erläutern können.Auch die russische Regierung reagierte verärgert auf die Absage anSeverStal. Arcelor muss beim Scheitern der SeverStal-Fusion eineVertragsstrafe von 140 Millionen Euro an Mordaschow zahlen.

«Wir werden mit SeverStal im Rahmen unserer Joint-Venturezusammenarbeiten, haben aber sonst keine Absichten», sagte Mittal.Zunächst müssten Arcelor und Mittal Steel zusammenwachsen, um dieanvisierten Synergien von rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr aucheinstreichen zu können. Der neue Konzern wolle aber versuchen, «diebest möglichsten Beziehungen zu SeverStal zu haben», sagte Kinsch.

Unklar bleibt zunächst, ob ThyssenKrupp Dofasco für 3,8 MilliardenEuro übernehmen kann. Arcelor lehne den Verkauf von Dofasco ab, sagteKinsch. In der Mittal-Erklärung vom Montag wird eingeräumt: «Arcelorund Mittal waren nicht in der Lage, sich über die Zukunft von Dofascozu einigen.» Dies solle nach Abschluss der Fusion erfolgen. Arcelorhatte Dofasco im Februar für 3,6 Milliarden Euro gekauft.

Kinsch begründete das Einlenken von Arcelor nicht nur mit demfinanziell verbesserten Angebot. Mittal habe sich auch zu denUnternehmensgrundsätzen von Arcelor bekannt: Qualität und Ertragseien wichtiger als die Produktion großer Mengen. Die Vereinbarungsehe auch vor, dass die industriellen Pläne und Verpflichtungeneingehalten würden und «es keine Folgen für die Beschäftigten imArcelor-Konzern geben wird», sagte Kinsch. Der IG-Metall-VorsitzendeJürgen Peters sagte, Arcelor habe zugesichert, dass es wederbetriebsbedingte Kündigungen und noch Standortschließungen inDeutschland geben werde. «Ich gehe davon aus, dass sich auch Mittalan diese Zusagen gebunden fühlt», sagte er.