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«Spiegel»: Ein DFB-Schiedsrichter im Visier

Von Wolfgang Dahlmann 21.11.2009, 14:50

Hamburg/dpa. - Der Wettskandal weitet sich aus: Knapp fünf Jahre nach den Wettmanipulationen um Robert Hoyzer soll wieder ein Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ins Visier der Ermittler geraten sein.

Nach Angaben des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» soll ein Unparteiischer bei einem Spiel der Regionalliga Süd im Mai Schmiergeld von den mutmaßlichen Wett-Betrügern kassiert haben. Zudem soll auch der Regionalligist SSV Ulm tiefer in den neuen Wettskandal verwickelt sein, als bislang bekannt. Vier Partien in der Endphase der vergangenen Saison sollen angeblich unter Manipulationsverdacht stehen. «Wir gehen davon aus, dass wir von dem Wettskandal nicht betroffen sind«, erklärte Ulms Vize-Präsident Mario Meuler.

Die Spieler des Süd-Regionalligisten, der an diesem Samstag ein Auswärtsspiel in Karlsruhe bestreitet, haben eine Erklärung unterschrieben, dass sie an keinerlei Wettmanipulationen beteiligt sind oder waren. Der Vorstand und der Aufsichtsrat des SSV Ulm 1846 hatten angekündigt, «alles in ihrer Macht stehende zu tun, umso schnell wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig, mitzuhelfen diese unglaublichen Vorwürfe aufzuklären».

Der angeblich in den Wettskandal verwickelte Profi des Fußball-Drittligisten VfL Osnabrück darf am Samstagnachmittag gegen Borussia Dortmund II spielen. «Der Spieler steht im Kader», sagte der Sportliche Leiter Lothar Gans am Samstag in Osnabrück. Gans erklärte, dass es aus Vereinssicht keinen Grund zu der Annahme gebe, dass der Profi tatsächlich beteiligt sei. Drei ehemalige VfL-Spieler werden verdächtigt, einer von ihnen blieb nach dem Abstieg bei dem niedersächsischen Traditionsverein.

Für Theo Zwanziger, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ist der Wettskandal auch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. «Ich weiß nicht, wie viel Korruptionsverfahren es bei Siemens oder an anderer Stelle in der Gesellschaft gibt. Wo Geld ist, da ist auch Korruption. Der entscheidende Punkt ist, wie gehen die Sportler damit um», sagte Zwanziger am Samstag auf dem Turntag des Deutschen Turner-Bundes (DTB) in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. «Korruption und Bestechung haben wir auch, aber wer hat das denn nicht», sagte der DFB-Präsident. Von 1,4 Millionen Fußballspielen würden jetzt 32 vom Staatsanwalt untersucht.

Unterdessen hat die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland effektivere Präventionsmaßnahmen im Fußball angemahnt. «Wir brauchen natürlich die Repression, sprich Strafgesetze, Kontrollen, Frühwarnsysteme, damit es den Tätern so schwer wie möglich gemacht wird», sagte die Vorsitzende der Organisation, Sylvia Schenk, im Deutschlandradio Kultur. Zugleich mahnte sie einen Mentalitätswandel im Fußball an: «Man muss sich auch über die Moral und das Unrechtsbewusstsein bei Spielern, Schiedsrichtern und Funktionären unterhalten. Korruption gilt immer noch als Kavaliersdelikt.»

Europas Fußball wird vom größten Betrugsskandal seiner Geschichte erschüttert. Der Manipulationsverdacht reicht den Ermittlern zufolge bis in die Champions League und die Europa League. In Deutschland sind nach vorläufiger Darstellung der Staatsanwaltschaft und der Polizei Bochum insgesamt 32 Spiele der 2. und 3. Liga sowie der Regional- und Oberliga betroffen.

Mit Belgien, der Schweiz, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien, der Türkei und Ungarn sind acht weitere Länder ebenfalls im Visier. Größtenteils sollen Erstligaspiele betroffen sein. Rund 200 Spiele stehen unter Manipulationsverdacht, es gebe «bisher über 200 Tatverdächtige», hatte die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei am Freitag auf einer Pressekonferenz mitgeteilt. Sie sprachen von der Spitze eines Eisbergs. Der Leiter der UEFA-Disziplinarkommission, Peter Limacher, erklärte: «Das ist der bisher größte Skandal im Fußball.»

Auch die internationale Presse hat mit Besorgnis auf den neuen Wettskandal reagiert. Für «El Mundo» aus Spanien sei dieser «nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt noch viel mehr Korruption». In Wien diagnostiziert «Der Standard» hingegen: «Der Fall zeigt nur, wie selbstverständlich auch beinahe fünf Jahre nach dem letzten großen Wettskandal Fußballspiele und das Spekulieren mit deren Ausgang zueinandergehören.» Der «Corriere della Sera» aus Italien ahnt: «Deutschlands Wettskandal hat internationale Ausmaße.»