Mehr als nur Skat Skat Altenberg: Mehr als nur Spielkarten

Altenburg - Catrin Fritzsche zieht eine schwere, braune Holzschublade auf: Fein sortiert stapeln sich im Inneren Dutzende unterschiedliche Skat-Sets.
„Hier ist ein besonders Schönes mit einem Goldschnitt. Das stammt aus DDR-Zeiten.“ Fritzsche arbeitet im Spielkartenladen am Altenburger Markt. In Auslagen, Schränken und Vitrinen lagern 300 verschiedene Kartenspiele der Spielkartenfabrik Altenburg.
Altenburg ist ein Mekka für Skat-Fans
„Eine größere Auswahl zum Kaufen finden sie sonst nirgends“, sagt die Frau, die auch als Stadtführerin arbeitet. Der kleine Laden ist Anlaufstation für Skat-Fans aus ganz Deutschland. Keine zehn Minuten zu Fuß entfernt, zeigt das Spielkarten-Museum im Altenburger Schloss die ganze Bandbreite der Jahrhundertealten Spielkarten-Tradition.
Besonders stolz sind die Museumsmacher auf die vergilbten Karten mit der Aufschrift „En Hockendorf“. „Sie stammen von 1509 und sind vermutlich die ältesten in Altenburg hergestellten Spielkarten“, erklärt Museumsführerin Anja Fehre bei einem kleinen Rundgang.
Die mehr als 500-jährige Tradition führt heute die Spielkartenfabrik Altenburg fort. „Neukunden, die bei uns eine Werksführung machen, sind manchmal erstaunt“, sagt Unternehmenschef Stefan Luther.
Spielkarten-Produktion hat nichts mehr mit alten Kartenmachern zu tun
Denn mit der Romantik früherer Kartenmacher, die in kleinen Stuben die Skat-Spiele gestalteten, hat Deutschlands größter Spielkarten-Produzent wenig gemein. Das Werk ähnelt eher einer modernen Druckerei mit angeschlossenem Großraumbüro.
Herzstück des Betriebs ist eine mehrere Meter lange Druckmaschine. In der Produktionshalle riecht es nach Farbe und Ammoniak. Leise surrt die Anlage und spuckt unablässig Druckbögen aus. „14.000 Stück in der Stunde schafft die“, sagt ein Maschinenführer.
Auf einem Bogen ist Platz für 100 Karten, ein Skatspiel besteht aus 32 Karten plus Reiztabelle - macht drei Spiele pro Bogen. „Allein mit Skatkarten könnten wir aber nur einen Bruchteil unserer Kapazität auslasten“, sagt Luther.
Skatblätter machen in Altenburg nur noch einen Bruchteil aus
Denn von den jährlich rund 50 Millionen produzierten Sets entfallen nur 300.000 bis 400.000 auf das original Skat-Spiel. Der Hersteller mit der Traditionsmarke ASS stellt verschiedenste Karten- und Brettspiele her. Neben der Produktion eigener Karten werden auch Spiele für andere Verlage und Karten für Firmenkunden wie für den Getränke-Hersteller Jägermeister oder die Sparkasse hergestellt.
Der Produktkatalog der Firma ist wie ein Gang durch ein Spielwarengeschäft. Da gibt es Auto-Karten, Karten zu Star Wars, Monopoly-Sets oder Minions. „Wir erwerben die Lizenzen und entwickeln dann die Spiele dazu“, erklärt Luther.
Spielkarten oder Brettspiele - Altenburg ist flexibel
Allein die Grafik-Abteilung beschäftigt neun Mitarbeiter, die neue Spiele designen. Im Auftrag von Spiele-Verlagen werden aber auch bekannte Brettspiele wie „Die Siedler von Catan“ gefertigt.
Die Spielkartenfabrik behauptet sich erfolgreich gegen die chinesische Konkurrenz, die inzwischen den Großteil des Spielzeugs für die deutschen Kinderzimmer liefert. „Durch eine hohe Automatisierung können wir große Stückzahlen herstellen“, erläutert Luther. Dennoch könne man schnell und flexibel auf die Kundennachfrage reagieren.
„Bei Änderungswünschen reicht ein Anruf“, so Luther. „Versuchen Sie das mal in China.“ Der Umsatz des profitablen Unternehmens ist in den vergangenen Jahren zwischen acht und zwölf Prozent gewachsen, 2017 lag er bei 30 Millionen Euro.
Altenburger wollen Skat nicht ganz vergessen
Das zum Markenkern gehörende Skat-Spiel soll aber nicht aus dem Blick geraten. Nach Ansicht von Produktmanager Gerd Matthes hat das Kartenspiel in den vergangenen Jahrzehnten viele Spieler verloren, weil die Regeln vergleichsweise kompliziert sind. „Vor allem das sogenannte Reizen zu Beginn schreckt viele Einsteiger ab“, so Matthes, der als Drucker vor 40 Jahren in der Spielkartenfabrik zu arbeiten begann.
„Es gibt heute so viele Freizeit-Angebote, die leichter auszuüben sind.“ Die Altenburger versuchen daher, das Spiel in das digitale Zeitalter zu bringen. Die Firma unterstützt beispielsweise das Hamburger Internet-Portal „Die Skatinsel“. Kindern und Jugendlichen bietet die Seite eine Online-Skat-Schule an.
Altenburger wollen Skatspiel am Leben halten
Die Thüringer arbeiten zudem mit Entwicklern von Skat-Apps zusammen und verkaufen auch Lizenzen an App-Hersteller. Matthes ist angetan von einer Anwendung, die Skat Coach heißt. Spieler können mit dieser ihr Blatt fotografieren und die App macht Vorschläge zum Reizen. „Gerade Anfänger können so Sicherheit erlangen“, meint der Produkt-Manager.
Matthes selbst sammelt historische Skatkarten, die vor 1870 hergestellt wurden. „Das waren alles noch Handanfertigungen.“ An dem Spiel für drei Personen faszinieren ihn „die schier unendlichen Kombinationen“. Tatsächlich sind es über eine Billion. „Man wird in seinem Leben nie ein Blatt zweimal“, sagt der Kenner. Im Spiel komme es zwar auch auf Glück, vor allem aber auf Können an.
Altenburger sind sicher: Kartenspiele überleben Digitalisierung
Dass mit der Digitalisierung auch das Totenglöckchen für das Kartenspiel klingelt, glaubt Firmenchef Luther nicht: „Bisher ist das Internet für uns eher Chance als Bedrohung.“ Über das Netz würden neue Kunden angesprochen, die man vorher nicht erreicht hat. Luther unterlegt das mit Zahlen.
„Der klassische Spielemarkt in Deutschland ist zuletzt jährlich um drei Prozent gewachsen.“ Nach seiner Einschätzung würden Kinder und Erwachsene bewusst Karten- und Brettspiele kaufen, um gemeinsam ihre Freizeit zu verbringen. Das Handy bleibe dann in der Tasche.
Altenburger sind sich sicher - Gespielt wird zu jeder Zeit
Die Spielkartenfabrik, die seit 2002 zum belgischen Spielkartenhersteller Cartamundi gehört, schaut sich allerdings die Marktentwicklung genau an. Die international tätige Gruppe entwickelt bereits selbst digitale Spiele. „Sollten wir merken, dass das klassische Kartengeschäft leidet, werden wir darauf auch reagieren“, so Luther. Gespielt werde jedenfalls zu allen Zeiten.
Das Altenburger Spielkarten-Museum richtet für Schulen sogar Skat-Projekte aus. „Nach einer Woche ist Skat bei vielen Schülern so beliebt wie einfache Handy-Spiele“, sagt Fehre. Die Museumsmitarbeiterin hat dafür auch eine Erklärung: „Es ist ein Gemeinschaftsspiel.“ (mz)