Siemens-AUB-Prozess: Bewährungs- und Haftstrafen
Nürnberg/dpa. - Wegen verdeckter Millionenzahlungen an die Arbeitnehmerorganisation AUB ist der frühere Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach ihn am Montag der Untreue und Steuerhinterziehung für schuldig. Feldmayer muss zudem eine Geldstrafe von 28 800 Euro sowie 200 000 Euro an den Staat zahlen. Der ehemaligen AUB-Bundesvorsitzende Wilhelm Schelsky wurde wegen Beihilfe zur Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Die Verteidigung beider Verurteilter kündigte Revision gegen das Urteil an.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Elektrokonzern mit dem an die AUB gezahlten Geld ein Gegengewicht zur IG Metall schaffen wollte. Dabei seien auch «Mitglieder der obersten Siemens- Führungskreise, mindestens aber ein Vorstandsmitglied» beteiligt gewesen, betonte der Vorsitzende Richter Richard Caspar in seiner Urteilsbegründung.
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Siemens-Konzern mit seiner Unterstützung der AUB zweifelsfrei Betriebsratswahlen beeinflusst und damit mehrfach arbeitgeberfreundliches Verhalten der Betriebsräte sichergestellt. Eine solche Beeinflussung sei ein klarer Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz, das das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmern regelt.
«Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die AUB- Bundesgeschäftsstelle in Nürnberg bis November 2006 eine Abteilung von Siemens war. Ohne die Finanzierung durch den Konzern wäre die Existenz der AUB nicht zu gewährleisten gewesen», betonte Richter Caspar. Das belege auch die Tatsache, dass vier bis fünf Angestellte in der Zentrale jahrelang direkt von Siemens bezahlt worden seien. Zudem seien Betriebsräte der AUB in Absprache mit Siemens- Führungskräften und der Personalabteilung ausgewählt, aufgebaut und gefördert worden.
Zahlreiche Belege gibt es nach Einschätzung des Gerichts auch für die Feldmayer angelastete Untreue. «Siemens hatte keine messbare, unmittelbare Gegenleistung für die an Schelsky gezahlten 30 Millionen Euro erhalten», betonte der Kammervorsitzende. Zudem habe die Siemensführung, die seit 1990 wegen des Aufbaus eines gewerkschaftlichen Gegengewichts mit Schelsky zusammenarbeitete, seit 1996 nicht mehr kontrolliert, ob die Mittel im Sinne des Unternehmens ausgegeben wurden. Feldmayer habe sogar dafür gesorgt, dass die Zahlungen an Schelsky «vom Radarschirm der Innenrevision genommen wurden», unterstrich Caspar.
Die Rolle Feldmayers bei den dubiosen Millionenzahlungen an die AUB bewertete der Kammervorsitzende zwiespältig. «Man muss sagen, dass Feldmayer Pech hatte. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort», sagte Caspar. Als Vorstand des seinerzeit prosperierenden Bereichs A&D sei Feldmayer zu der Abwicklung der AUB-Zahlungen von der Siemens-Spitze gedrängt worden. Hätte er diese Verantwortung abgelehnt, wäre seine Karriere zu Ende gewesen. Stattdessen sei er später in den Zentralvorstand aufgestiegen.
Auf die Verantwortung des Siemens-Vorstands in der Affäre ging Caspar trotz zahlreicher Andeutungen nicht näher ein. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die gesamte Siemens-Affäre aufzuklären. Zudem fehlten dem Gericht eindeutige Beweise dafür. «Umso weiter man in der Hierarchie nach oben kommt, desto weniger Papier wurde produziert», sagte Caspar in seiner Urteilsbegründung.
Siemens-Chef Peter Löscher sprach in einem am Montag veröffentlichten Brief an Leitende Mitarbeiter von einem «merkwürdigen und fehlgeleiteten Verhalten», das im Zusammenhang mit der AUB-Affäre bei Siemens Platz gegriffen habe. Zugleich forderte er die Belegschaft auf, die gebotenen Lehren aus der Vergangenheit zuziehen. Die IG Metall Bayern kommentierte das Urteil mit den Worten, das Verfahren habe bewiesen, dass die AUB keineswegs unabhängig sei, wie sie es selber immer behaupte. Die IG Metall erwarte, dass die Unternehmensleitung «sich künftig strikt neutral verhält und solche verbotenen Eingriffe unterbleiben».