Schmiergeld-Affäre bei Siemens Schmiergeld-Affäre bei Siemens: Früherer Vorstand wurde verhaftet
München/dpa. - Der Konzern geht inzwischen von zweifelhaften Zahlungen in Höhevon 420 Millionen Euro aus. Als Folge der Affäre musste der Konzernseine Ergebniszahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr nach untenkorrigieren. Weitere Belastungen zum Beispiel durch Strafen oderSchadenersatzforderungen könnten auf den Konzern zukommen.
Unterdessen wurde Ganswindt, erst im September angesichts derbevorstehenden Auflösung der Kommunikationssparte Com bei Siemensausgeschieden, am Dienstag verhaftet. Das bestätigte ein Sprecher derMünchner Staatsanwaltschaft der dpa. Weitere Details nannte er nicht.Nach Informationen von «Spiegel Online» soll Ganswindt von einemehemaligen Kollegen im Com-Bereichsvorstand belastet worden sein.Dieser soll ausgesagt haben, dass Ganswindt bereits deutlich vorAnfang 2004 über das vermutete Schmiergeld-System in der Com-Sparteinformiert worden sei und dieses geduldet habe.
Ein weiterer Beschuldigte habe den Namen Ganswindt bereits inseiner Vernehmung im November ins Spiel gebracht. Dieser Beschuldigtesoll das weltweite System von Scheinfirmen und schwarzen Kasseninstalliert haben. «Spiegel Online» zufolge will er bereits Anfang2004 seinen damaligen Bereichsvorstand Ganswindt über die angeblicheSchmiergeldpraxis in seinem Beritt informiert haben.
Vorstandschef Klaus Kleinfeld hatte zuvor am Dienstag einelückenlose Aufklärung der Affäre angekündigt. «Es geht um den Ruf desHauses. Wir werden keine Kompromisse machen.» Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer, in dessen Zeit alsVorstandsvorsitzender der Aufbau des illegalen Finanzsystems fällt,sieht keinen Grund für einen Rückzug aus dem Kontrollgremium.
Siemens räumte ein Versagen der Kontrollsysteme ein. «Das interneKontrollsystem hatte materielle Schwächen», sagte FinanzvorstandJoe Kaeser. Kleinfeld und Pierer betonten aber, dass der Konzernbereits Anfang der 90er-Jahre so genannte Compliance-Systemeentwickelt habe. Die Mitarbeiter seien verpflichtet worden, sich andie Gesetze zu halten. «Es gibt keinen Mitarbeiter, dem das nichtklar gewesen ist», sagte Kleinfeld. Mit externer Hilfe sollten nunaber Lücken geschlossen werden.
Der Aufsichtsrat hatte am Vortag ein Maßnahmenpaket beschlossen.Eine internationale Anwaltskanzlei und der Mitbegründer vonTransparency International, Michael J. Hershman, sollen helfen, dieKontrollsysteme zu verbessern. Zudem wird der StuttgarterOberstaatsanwalt Daniel Noa die Leitung der Antikorruptions-Abteilungbei Siemens übernehmen.
Der Gesamtbetriebsrat (GBR) begrüßte das Maßnahmenpaket. «Fürgesetzeswidrige und ethisch fragwürdige Praktiken darf in unseremUnternehmen kein Platz sein», sagte der GBR-Vorsitzende RalfHeckmann. Die Arbeitnehmer unterstützten daher die «Null-Toleranz-Position» Kleinfelds und Pierers. «Der Gesamtbetriebsrat hat denEindruck, dass es der Unternehmensleitung ernst damit ist, Missständeaufzuklären und abzustellen und unterstützt dies ausdrücklich.»
Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein DutzendVerdächtige etwa 200 Millionen Euro von Siemens veruntreut und imAusland als Schmiergeld eingesetzt hat. Die Überprüfungen bei Siemensergaben nun zweifelhafte Zahlungen von 420 Millionen Euro in denvergangenen sieben Jahren. Das Geld müsse nicht komplett in schwarzeKassen geflossen sein, sagte Finanzvorstand Kaeser. Es handle sichaber um verdächtige Zahlungen für Beraterverträge, bei denen derweitere Geldfluss untersucht werden müsse. Als Folge hat Siemens fürdie vergangenen sieben Jahre zusätzliche Steuerbelastungen von 168Millionen Euro veranschlagt. Der Gewinn des Geschäftsjahres 2005/06(30. September) wurde von 3,106 auf 3,033 Milliarden Euro nach untenkorrigiert.