Sachsen Sachsen: Gehörlos, aber nicht arbeitslos

Arnsdorf/dapd. - In vielenUnternehmen gilt eine solche Beeinträchtigung freilich als Hindernisbeim Bedienen von Maschinen. «Nicht bei uns», sagt Steffen Ruhtz,einer der beiden F&G-Geschäftsführer. «Wir schauen nicht, was einMensch nicht kann, sondern, was er kann».
Der Metallbetrieb, der vor allem Automobilfirmen beliefert und ineinem Gewerbegebiet produziert, ist dank dieser Einstellung zu einemVorzeigeunternehmen geworden. 10 der 110 Beschäftigten sindBehinderte. Die gesetzliche Quote von fünf Prozent, die fürUnternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten gilt, wird klarübererfüllt.
Mit der Integration der Behinderten komme man einer «moralischenVerpflichtung» nach, sagt Ruhtz. Zudem reagiere das Unternehmen aufdie «Situation in der Bevölkerung». Sprich: deren Rückgang und damitdie Verringerung der Zahl qualifizierter Arbeitskräfte. «Wir suchenMenschen, die hier gute Arbeit leisten können», sagt der Firmenchef.Dazu gehörten auch Behinderte.
Diese Herangehensweise empfiehlt Sozialministerin Christine Claußauch anderen Unternehmen. Sie sollten verstärkt das Potenzial vonMenschen mit Behinderungen nutzen, sagt die CDU-Politikerin beieinem Besuch in dem Arnsdorfer Betrieb: «Diese Menschen können volleLeistung bringen, wenn ihnen ein entsprechender Arbeitsplatz zurVerfügung gestellt wird.»
Die nötigen Fachkenntnisse brächten viele mit, bestätigt dieRegionalgeschäftsführerin der Bundesagentur für Arbeit, Jutta Cordt.Von 10.800 Schwerbehinderten, die in Sachsen derzeit ohneArbeitsplatz sind, verfügten 82 Prozent über eineFacharbeiterausbildung oder sogar einen Hochschulabschluss.
Nicht wenige Unternehmen scheinen freilich noch eher Hürden alsMöglichkeiten zu sehen. Zwar wurden im vergangenen Jahr 3.700Schwerbehinderte auf einen Arbeitsplatz vermittelt und weitere 1.000qualifiziert. Doch die durchschnittliche BeschäftigungsquoteBehinderter in der Wirtschaft des Freistaats liegt erst bei 3,9Prozent und damit noch unter der gesetzlichen Mindestquote. Um daszu ändern, hat sich vor einem Jahr eine «Allianz Arbeit undBehinderung» gegründet, der inzwischen 21 Partner aus Wirtschaft,Politik und von Wohlfahrtsverbänden angehören.
Nach Ansicht von Clauß trägt die Arbeit erste Früchte. So wurdeein Netzwerk gegründet, das kleine und mittlere Unternehmen bei derVermittlung behinderter Arbeitnehmer unterstützen und dazu«Integrationsleistungen aus einer Hand» erbringen soll. Zudem sollenBetriebe für das Thema sensibilisiert und verstärkt aufFörderangebote hingewiesen werden. Um Nachteile durch dieEinstellung Behinderter auszugleichen, kann laut Cordt ein Zuschussvon bis zu 70 Prozent der Lohnsumme gewährt werden, der bis zu 96Monate gezahlt wird.
Konkrete Hürden für die Beschäftigung Behinderter, etwa durchunpraktikable Regelungen oder Defizite bei politischenRahmenbedingungen, seien im ersten Arbeitsjahr der Allianz nichtentdeckt worden, sagt Clauß. Vor allem gelte es, «Barrieren in denKöpfen» einzureißen. Mit Gesetzen erreiche man das nicht.
«Die Politik kann keine Arbeitsplätze verordnen», sagt dieMinisterin und verweist statt dessen auf gute Beispiele wie dieFirma F&G. Dort arbeiten Behinderte nicht nur in der Produktion.Etliche Aufträge werden auch an Werkstätten für Behinderte vergeben.