Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Mit der Kraft des Windes
WERNIGERODE/MZ. - Obwohl die Windräder still stehen, leuchtet sie weiter. Ihre Energie kommt nun aus einer Brennstoffzelle. Es ist ein Modell, das im Kellerlabor des Wernigeröder Automobilzulieferers PSFU steht. Aber die Idee dahinter könnte entscheidend dafür sein, wie wir uns künftig fortbewegen.
Das Zauberwort heißt Elektromobilität. Landauf, landab forschen Wissenschaftler an alternativen Antriebsformen für Pkw, Busse, Lkw. Es gibt etliche Pilotprojekte. So experimentieren Daimler und BMW gemeinsam mit Energiekonzernen mit Elektro-Smarts und -Minis. Manche Städte haben Wasserstoff-Busse in ihrer Nahverkehrsflotte. Was es nicht gibt, ist ein serienmäßiges Elektroauto. Noch nicht.
Rolf Schicke ist sicher: Das wird sich ändern. "In einigen Jahren wird es einen Markt für Elektro-Pkw geben - zumindest in Kleinserien." Schicke sitzt in einem Besprechungsraum der PSFU GmbH, an der Wand moderne Kunst, vor sich auf dem Tisch einen Laptop, der in zahlreichen Schaubildern verdeutlicht, was sie hier machen. Sie arbeiten daran, Elektroautos alltagstauglich zu machen. "Projektmanagement Brennstoffzelle" steht auf der Visitenkarte des 51-Jährigen.
Die Batterien heutiger Elektroauto-Prototypen aufzuladen, dauere fünf bis acht Stunden, sagt Günther Karle, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Wernigeröder Firma. "Völlig unattraktiv", sagt er. "Schnelltankung" heißt daher die Idee, die sie bei PSFU verfolgen - Batterieladung in zwanzig oder gar nur zehn Minuten.
Das sei, so Schicke, ein Problem, das sich relativ leicht lösen lässt: "Seit ein paar Monaten gibt es moderne Lithium-Ionen-Akkus, die eine solche kurze Ladezeit vertragen." Das Problem: Sie sind noch zu groß, zu schwer - und mit bis zu 10 000 Euro pro Stück viel zu teuer. Doch die Batterieindustrie werde diese Hürde nehmen.
Die andere Hürde wollen sie in Wernigerode selbst nehmen. Wer Elektroautos betanken will, braucht Tankstellen - für Strom. Flächendeckend. "Man soll so wie heute mit einem Diesel oder Benziner einfach tanken fahren können", sagt Karle. Dann - und wenn die Kosten sinken - erwartet der 48-Jährige, könnten Elektroautos marktfähig werden.
Test im Modellprojekt
Aber wo soll der Strom herkommen für Stromtankstellen? Quasi vor der Haustür von PSFU, im nahen Dardesheim, liegt der Windpark Druiberg, einer der größten des Landes. Seit Jahren setzen sie dort auf Öko-Strom. Mittlerweile ist der Windpark Partner in einem Modellprojekt des Bundes, in dem getestet werden soll, wieweit der gesamte Harzkreis mit erneuerbarer Energie versorgt werden kann. Davon wollen auch die Ingenieure von PSFU profitieren. Die Idee dahinter: Weht starker Wind, produzieren Windräder überschüssigen Strom. "Diese Energie muss irgendwo geparkt werden", sagt Karle. Es ist genau die Energie, die sich für Elektroautos nutzen lässt. So entstand das Projekt der "dezentralen Strom- und Wasserstofftankstelle".
Wie sie funktionieren könnte, zeigt das Modell im Wernigeröder Kellerlabor. Auf einem Tisch stehen unter einem Plexiglasdach kleine rote Modellautos an kleinen blauen Modellzapfsäulen. Dahinter, etwas erhöht auf moosgrünem Kunstrasen aus dem Modellbahnladen, ragen Miniaturwindräder empor. Neben ihnen: vier zylinderförmige durchsichtige Kunststoffbehälter - Tanks für Wasserstoff.
Und so arbeitet, vereinfacht gesagt, eine solche Anlage: Mit dem per Windkraft erzeugten Strom können Elektroautos direkt betankt werden. Wird der Strom nicht sofort benötigt, kann er per Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und in die Tanks gefüllt werden. Wasserstoff ist zwar ein brennbares Gas. Die Lagerung im Tank aber, sagt Schicke, sei "ungefährlicher als bei Benzin". Bei Bedarf wird der Wasserstoff dann in einer Brennstoffzelle wieder in Strom zurückverwandelt. Oder direkt in mit Brennstoffzellen betriebene Autos getankt.
Wirtschaftlichkeit ist gefragt
Soweit die Theorie. In der Praxis braucht es nicht nur die passende Infrastruktur von Zapfsäulen bis zu unterirdischen Tanks, sondern auch entsprechend leistungsfähige Brennstoffzellen. "Die werden wir selber entwickeln müssen", sagt Schicke. Es gebe zwar entsprechende Geräte, "aber nicht von der Stange und noch zu teuer". Sollen sich aber Investoren für das Konzept begeistern, muss es wirtschaftlich sein.
"Stromtankstellen", schwärmt der 51-Jährige, "könnte man überall dort bauen, wo Windräder stehen." Zwei bis drei mittelgroße Anlagen reichten für bis zu zehn Tankplätze. Vorerst aber planen sie in Wernigerode nur mit einer Pilotanlage. Möglichst in Dardesheim. Im benachbarten Derenburg sitze praktischerweise ein Elektroantriebe-Hersteller, sagt Karle, der Autos umrüsten könne. "Eigentlich haben wir für einen Pilotbetrieb alles, was wir brauchen."
Nur noch nicht genügend Geld. 1,5 Millionen Euro, schätzt er, wären notwendig. Wenn alles klappt, könnte die Pilotanlage in zwei bis drei Jahren arbeiten. "Das", sagt Karle, "wäre ein großer Schritt Richtung Praxistauglichkeit." Und dann? Dann hoffen sie in Wernigerode auf ganz viel Zulauf. Auf Investoren, etwa die Mineralölkonzerne als Tankstellenbetreiber. Dann könnte aus der Testanlage ein ganzes Netz von Stromtankstellen werden.