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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Kein Anwalt bei Hartz IV?

Von Manuela Bank 08.07.2007, 14:33

Magdeburg/Halle/MZ. - Wer als Empfänger von Arbeitslosengeld (ALG) II eine Rechtsberatung durch einen Anwalt möchte, bekommt unter Umständen keine Unterstützung aus der Landeskasse mehr. Die Rechtspfleger der Amtsgerichte lehnen offenbar zunehmend Anträge auf Beratungshilfe ab, wenn es darin um Widersprüche gegen Bescheide der Argen geht. "Wir beobachten diese restriktive Handhabung seit gut einem Jahr", sagt Michael Moeskes, Präsident der Landesanwaltskammer. Betroffen seien auch der Bereich des Unterhaltsrechts sowie Verbraucherinsolvenzen.

Abgelehnt werden können die Anträge mit Verweis auf das Beratungshilfegesetz, in dem steht, dass Beratungshilfe gewährt wird: "wenn nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Ratsuchenden zuzumuten ist". In Anspruch genommen werden sollen von den Betroffenen nun andere, kostenlose Beratungsmöglichkeiten. Das heißt anerkannte Insolvenzberatungsstellen, das Jugendamt und bei Widersprüchen gegen Arge-Bescheide: die Argen selbst.

"Im Regelfall wird es Hilfebedürftigen zuzumuten sein, vom Gericht an die Behörde verwiesen zu werden, gegenüber der sie die Ansprüche durchsetzen wollen", sagt Ute Albersmann, Sprecherin des Justizministeriums in Magdeburg. Die Argen hätten eine Beratungspflicht und kämen dieser auch nach. Hintergrund für die Vorgehensweise der Rechtspfleger bei der Bewilligung auf Beratungshilfe, seien die gestiegenen Kosten. Laut Ministerium seien diese seit 1995 um das 15-fache gestiegen. 2006 habe Sachsen-Anhalt 4,5 Millionen Euro für Beratungshilfe ausgegeben. Eine Weisung an die Rechtspfleger, die Bewilligungspraxis demzufolge anders zu gestalten, gebe es aber nicht. "Allerdings ist das Ministerium bestrebt, die Dramatik der Kostenentwicklung transparent zu machen", so Albersmann.

Rechtsanwälte kritisieren jedoch, dass mit der Einschränkung der Beratungshilfe Hemmschwellen für sozial Schwächere errichtet werden. Für diese sei das Beratungshilfegesetz jedoch gemacht worden: "Ich kann doch dem Bürger nicht erst Rechte geben und dann keine Hilfe erteilen, diese in Anspruch zu nehmen", so Kammerpräsident Moeskes. Dass Beratungshilfe über Gebühr in Anspruch genommen worden sei, sieht auch Thomas Markworth, Vorsitzender des Landesanwaltvereins, nicht: "Nur wer nicht mehr klarkommt, der geht zum Anwalt."

Für zusätzlichen Zündstoff zwischen Justiz und Rechtsanwälten sorgte zudem ein Rundschreiben einer Rechtspflegerin des Amtsgerichts Merseburg, das Anwälten im Januar zugestellt wurde. Darin wurde mitgeteilt, dass Anträge auf Beratungshilfe in den drei Bereichen generell abgelehnt würden. Davon hat sich das Amtsgericht laut seinem stellvertretenden Direktor Steffen Lutz zwar distanziert und in einem weiteren Rundschreiben klargestellt, dass stets eine Einzelfallprüfung durchgeführt werde. Die derzeitige Beratungshilfe-Praxis kritisieren Anwälte trotzdem: "Es ist für Betroffene schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Rechtsberatung einzuholen, es treibt sie in die Resignation", so Jens Döpke, Vorsitzender des Anwaltvereins Mansfelder Land.

Auch Ute Winkler, Beraterin von ALG-II-Empfängern bei der Arbeiterwohlfahrt in Halle und bis 2005 Präsidentin des Landessozialgerichts, hat Probleme mit dem Verweisen an die Argen: "Die Behörde vertritt ihre Rechtsmeinung, vieles muss im Bereich ALG II aber erst durch die Rechtsprechung durch." Die Kosten sind für sie kein Argument: "Der Rechtsstaat kostet nun einmal Geld."