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Saalekreis Saalekreis: Lauchstädter Brunnen versiegt

Von STEFFEN HÖHNE 18.01.2011, 18:50

BAD LAUCHSTÄDT/MZ. - Das denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude der "Bad Lauchstädter Heil- und Mineralbrunnen GmbH" am Rande der barocken Kur-Anlagen der Kleinstadt kündet noch heute von der Epoche als "sächsisches Pyrmont". Bereits Goethe und Schiller vertrauten auf die heilende Kraft des Wassers. In den 20er Jahren zählte Lauchstädter zu den bekanntesten deutschen Brunnen. Jetzt ist das Werkstor mit einer Eisenkette verschlossen. Am Eingang haben die Beschäftigten ein Transparent aufgehängt "Lauchstädter Heilbrunnen 1710 - 2010 Nicht mit uns". Der Traditionsbrunnen steht vor dem Aus.

Strukturwandel in der Branche

In einem Café sitzt Harald Mirow und rührt mit dem Löffel im Cappuccino. "18 Jahren haben wir uns bemüht, den Brunnen wieder nach oben zu bringen. Jetzt geht alles den Bach runter", sagt der langjährige Geschäftsführer und ehemalige Eigentümer. Seit Monaten ruht die Produktion, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Beschäftigten warten auf 4,5 Monatslöhne.

Wie konnte es soweit kommen? Seit Jahren ging es mit dem Brunnen bergab. Die Familie von Mirows Frau übernahm 1991 den Betrieb und wollte an alte Erfolge anknüpfen. Anfangs gelang dies. Der Brunnen mit den Marken Lauchstädter Heilbrunnen und Schillerbrunnen behauptete sich in der Nische - als Nummer eins der Heilbrunnen im Osten. "Wir haben dafür Millionen investiert", so Mirow.

Doch der Strukturwandel in der Wasser-Branche ab Mitte der 90er Jahre traf Lauchstädter hart. Viele Handelsketten setzen auf Billigwasser - 19 Cent die 1,5-Liter-Flasche. Bei Lauchstädter sackte der Absatz von 20 auf 15 Millionen Flaschen im Jahr 2007. Der Betrieb schrieb rote Zahlen. Mitte 2008 versuchte Lauchstädter noch einmal, durch eine Marketingoffensive das Blatt zu wenden. Der neue Geschäftsführer Peter von Gersdorff wollte in der Gastronomie und im Ausland punkten. Der Erfolg blieb aus. Im Juli 2009 wurde der Brunnen für einen Euro verkauft.

Der Investor, die Perfect Timing Media, hinter der eine Holding in der Schweiz steht, versprach nach Worten von Mirow zu investieren. Gersdorff blieb in der Geschäftsführung bis Juni 2010. Der Manager erhebt heute schwere Vorwürfe gegen die Perfect Timing-Führung: "Sie haben den Brunnen ausgeplündert." Gersdorff spricht davon, dass mehrere Limousinen (7er BMW, BMW X5) angeschafft wurden, die nun weg sind. Zudem sei über Kreditkarten das Firmenkonto belastet worden. Investiert wurde laut Gersdorff dagegen nicht. Am Ende habe das Geld gefehlt, um Produktionsmittel einzukaufen, Kunden seien abgesprungen - seit Herbst 2010 ruht die Abfüllung.

Gersdorff stellte Insolvenzantrag beim Amtsgericht Halle. Dieser wurde aus formalen Gründen abgelehnt. Danach stellte er Strafanzeige gegen Perfect Timing wegen Insolvenzverschleppung. Die Staatsanwaltschaft Halle prüft den Fall.

Perfect Timing-Chef Andreas Thoma verwahrte sich Mitte Dezember gegen die Vorwürfe und sprach von einem persönlichen Rachefeldzug Gersdorffs. Die wirtschaftliche Lage des Betriebs sei schlimmer gewesen als angenommen (die MZ berichtete). Thoma kündigte am 13. Dezember an, es gebe ein "Lösungskonzept". Drei Tage später wurde Lauchstädter an die Vönix GmbH verkauft. Geschäftsführer soll Rechtsanwalt Andreas Maaß sein. Er war zuvor bereits für Perfect Timing tätig und will Lauchstädter weiterverkaufen. Auf MZ-Anfrage waren zuletzt weder Maaß noch Thoma erreichbar.

Perfect Timing war bereits 2009 in die Insolvenz der Thüringer Eliog Technologie AG mit 700 Beschäftigten verwickelt. Perfect Timing übernahm die Holding. Kurze Zeit später meldeten verschiedene Firmen der Holding Insolvenz an, berichteten mehrere Medien. Auch damals rechtfertigte Thoma dies damit, dass Perfect Timing nicht über die wahre Lage der gekauften Unternehmen informiert wurde.

Wie es nun für Lauchstädter und seine Mitarbeiter weitergeht, ist unklar. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) und der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Udo Gebhard, haben sich eingeschaltet und fordern vom Eigentümer, ein Konzept vorzulegen.

Investitionen dringend nötig

Die Zeit drängt: "So wie der Betrieb ist, kann nicht produziert werden", sagt Produktionsleiter Bernd Werner. Seit 29 Jahren arbeitet er bei Lauchstädter. Heilwasser sei ein Arzneimittel. Die Abfüllanlagen müssten besonders gewartet und das Wasser untersucht werden. "Dies ist zuletzt unterblieben." Ohne neue Investoren stehe die Herstellungserlaubnis auf dem Spiel.

Als Retter in der Not bringt sich Ex-Geschäftsführer Gersdorff ins Spiel. "Ich stehe mit Partnern bereit, Lauchstädter zu übernehmen", sagt er. Zunächst müssten 200 000 Euro investiert werden. Gersdorff will eine Kooperation mit dem Harzer Grauhof Brunnen aus Goslar (Niedersachsen) eingehen. Er sieht in der Marke "Lauchstädter" Potenzial. Bei den Mitarbeitern wird dies auch kritisch gesehen. Gersdorff war am Niedergang beteiligt. Andererseits: Ein weißer Ritter ist nicht in Sicht.