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S-Direkt-Marketing GmbH S-Direkt-Marketing GmbH: Streik zeigt bislang keinen Erfolg

Von Steffen Höhne 20.08.2012, 17:41

Halle (Saale)/MZ. - Im Großraumbüro herrscht trotz äußerer Hitze angenehme Kühle. In Reih und Glied sitzen die Mitarbeiter der S-Direkt-Marketing GmbH in Halle an ihren Telefonen. An den Wänden hängen Monitore, auf denen Zahlenkolonnen den Stand der bearbeiteten Anrufe anzeigen. Alles läuft ruhig ab. Wenig deutet darauf hin, dass bei dem Sparkassen-Dienstleister bereits seit sieben Wochen ein Arbeitskampf tobt. Seit Anfang August ist ein großer Teil der Beschäftigten in unbefristeten Streik getreten. Dies gab es wohl noch nie bei einem Sparkassen-Unternehmen.

Die Streikenden sind in einem Nachbargebäude. "Ich bin stolz, dass ihr weitermacht", sagt Iris Kießler-Müller, Chefin der Verdi-Betriebsgruppe. "Wir werden nicht aufgeben." Sie steht auf einem Podest. Im Raum sitzen etwa 150 Mitarbeiter in leuchtgelben Protestwesten und klatschen Beifall. Sie streiken für einen Haustarifvertrag und wollen eine Lohnuntergrenze von mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Doch bisher ohne Erfolg.

250 Mitarbeiter streiken

Das Unternehmen mit mehr als 800 Mitarbeitern, davon 600 in Halle, arbeitet als Dienstleister für alle 430 Sparkassen bundesweit. Das hallesche Call-Center ist für den Sperrnotruf für EC-Karten zuständig. Zudem werden für rund 200 Sparkassen etwa Dienste wie Telefon-Banking oder Terminvereinbarungen erbracht - etwa für die Sparkasse Köln / Bonn oder die Landesbank Berlin. Auch Wertpapier-Geschäfte werden über das Call-Center abgewickelt. Rufen Kunden bei ihren örtlichen Sparkassen an, werden sie oft zu S-Direkt umgeleitet - viele merken dies gar nicht.

"Auch viele Sparkassen-Chefs wissen wenig über die Arbeit und die Zustände bei ihrem Dienstleister", sagt Stefan Wittmann, Fachbereichsleiter Finanzwesen im Verdi-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das Unternehmen hat, wie die Firmenleitung bestätigt, seit der Gründung 1996 das Einstiegsgehalt von 1 280 Euro nicht erhöht. Die Beschäftigten erhalten ohne Zuschläge einen Lohn von 7,38 Euro pro Stunde. "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass S-Direkt nicht einmal Mindestlohn-Niveau zahlt", sagt Wittmann.

Dies sehen viele Beschäftigte ähnlich. Birgit Beine ist eine von derzeit 250 Streikenden. Die 53-Jährige arbeitet seit Februar 2008 im Unternehmen. "Ich sehe meine Arbeit hier als sinnvoll an", sagt die alleinerziehende Mutter, die in einem anderen Call-Center Lotto-Lose verkaufte. Sie vereinbart mit Kunden Termine oder ist in der Marktforschung tätig. Wegen ihrer zwei Kinder arbeitet sie verkürzt nur 30 Stunden. Am Ende des Monats bekommt sie 960 Euro brutto und zusätzlich Hartz IV. Auch bei einem höheren Lohn wäre sie wohl auf zusätzliche staatliche Hilfe angewiesen. "Die 8,50 Euro drücken für mich aber eine Wertschätzung für die Arbeit aus."

Nach Angaben der Verdi-Betriebsgruppe beziehen wegen der hohen Teilzeitquote 40 Prozent der Beschäftigten zusätzlich Hartz IV. Das Unternehmen spricht dagegen von einer Zahl im einstelligen Prozentbereich. "Gerade junge Mütter nutzen unsere flexiblen Arbeitszeitsysteme", sagt Call-Center-Leiterin Heike Bergner. S-Direkt zahle zudem Zuschüsse für Kindergartenplätze.

In den vergangenen Wochen hatten sich Verdi und der Sparkassen-Dienstleister in vielen Punkten bereits geeinigt. So soll es unter anderem mehr Urlaubstage sowie mehr unbefristete Verträge geben, so die Geschäftsführung. 8,50 Euro will die Firma aber erst Ende 2013 zahlen - wenn es die wirtschaftliche Lage zulässt. Geschäftsführer Thomas Henkel sagte zuletzt: "Die Forderung der Gewerkschaft gefährdet Arbeitsplätze." S-Direkt habe laufende Verträge mit den Sparkassen. Hohe Lohnsteigerungen könne sich das Unternehmen kurzfristig daher nicht leisten.

Laut Geschäftsbericht erzielte S-Direkt 2010 Erlöse von rund 22 Millionen Euro. Für Löhne und Gehälter wurden 12,6 Millionen Euro gezahlt. Der Jahresüberschuss belief sich auf 715 584 Euro. Verdi-Betriebsgruppenchefin Iris Kießler-Müller hält die Lohn-Erhöhung für das Unternehmen verkraftbar. Zudem kritisiert sie, dass S-Direkt auch über Billig-Angebote bei Sparkassen Aufträge ergatterte.

Doch anstatt einer weiteren Annäherung eskaliert der Tarifstreit immer mehr. Nach Angaben von Call-Center-Leiterin Bergner ist der Service durch die Streiks eingeschränkt. Anrufer seien länger in der Warteschleife. Dennoch würden 85 Prozent der Dienstleistungen erbracht. Die Mehrzahl der Mitarbeiter würde arbeiten. Betriebsrat und Verdi werfen dem Unternehmen vor, Beschäftigte einzuschüchtern. "Gerade Mitarbeiter mit befristeten Verträgen gehen aus verständlichen Gründen an die Arbeit", sagt Kießler-Müller. Zudem würden auch Dritt-Firmen wie die Call-Center Transcom und Regiocom für S-Direkt arbeiten. Geschäftsführer von Regiocom ist Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsident Klemens Gutmann. S-Direkt verwahrt sich gegen den Vorwurf, Dritt-Firmen würden als Streikbrecher aushelfen. "Wir arbeiten seit Jahren mit anderen Anbietern zusammen", sagt ein S-Direkt-Firmensprecher.

Holtmann verärgert Beschäftigte

Für zusätzlichen Unmut bei den S-Direkt-Beschäftigten sorgte zuletzt eine Warnung der Arbeitgeber aus Berlin: "Bei einer Bezahlung dieser Arbeitsplätze wie im Sparkassenbereich würden die Kosten so ansteigen, dass die Arbeitsplätze ins Ausland abwandern", sagte der Geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Claus Friedrich Holtmann im Interview. Verdi-Frau Kießler-Müller ist erbost über diesen Satz: "Herr Holtmann weiß nicht, wovon er redet. Es geht nicht um Löhne auf Sparkassen-, sondern auf Mindestlohnniveau. "