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Rohstoffe Rohstoffe: Geologen suchen auf Usedom nach Öl

Von Steffen Könau 13.07.2012, 15:27

Halle (Saale)/MZ. - Die Zeichen sind da, waren es schon immer. "Nur lesen muss man sie können", sagt Thomas Schröter. Der breite Weg aus Betonplatten, den ein gewöhnlicher Ostsee-Urlauber im Schmuddelsommer freudig als Wanderweg nutzt? In Wirklichkeit, sagt Schröter, zeigt der an, dass hier schon früher Schwerlaster fuhren. Oder das unauffällige Rohr unter dem Steg am Bodden! "Das ist eine alte Ölleitung aus DDR-Zeiten."

Thomas Schröter steht mittendrin in Deutschlands derzeit vielversprechendstem Ölerwartungsland: Eine unberührte Naturidylle am Achterwasser beim Flecken Netzelkow auf Usedom, Luftlinie acht Kilometer vom Ostseestrand entfernt. Hier und da auf den Wiesen nicken sie noch, die Ölpumpen des ehemaligen DDR-Förderbetriebes Erdöl Gommern, die jetzt einem französischen Großkonzern gehören. Aber eigentlich, sagt der Geologe, der aus Leipzig stammt und schon in Libyen, Zentralasien und den USA nach Bodenschätzen gesucht hat, galt das Gebiet als ausgebeutet. Das schwarze Gold, das hier in einer Tiefe von bis zu 2800 Metern unter der Erde gelegen hatte, ist abgesaugt, die Lagerstätten leer. So wenigstens glauben alle.

Bis Jaap Bouwman kommt. Der gebürtige Holländer lebt damals im kanadischen Calgary und dient als deutscher Konsul in der Erdölmetropole. Eines Tages stehen dann zwei Herren in seinem Büro, und zeigen ihm eine Karte, die sie die "Fliegenschisskarte" nennen. "Auf der sieht man alle bekannten Erdöllagerstätten in Mitteleuropa als kleine Punkte", erklärt Schröter. Es gibt viele kleine blaue Punkte in Polen und viele kleine Punkte im Norden Westdeutschlands. Dazwischen aber klafft ein großes Loch. Es gibt fast keine Punkte. "Was ist denn das?", wollen der kanadische Erdölspezialist Peter Putnam und der aus Äthiopien stammende Geologe Alula Damte von Bouwman wissen. Das sei doch geologisch nicht zu erklären, oder?

Geologisch nicht, aber politisch, hat Bouwmann geantwortet. Der Grund dafür, dass es an der ostdeutschen Ostseeküste zwischen Ahrenshoop und Ahlbeck laut Karte keine Öllagerstätten gebe, sei nicht der Umstand, dass dort kein Öl liege. Sondern dass die DDR nach anfänglich großer Bohrbegeisterung in den 60er Jahren bald aufhörte, nach Öl zu suchen.

Das Trio reiste dann nach Ostdeutschland. Suchte nach Spuren, Zeitzeugen und seismischen Karten. Hier und dort wurden sie belächelt. Manchmal bestaunt. Kurze Zeit später gründen Bouwman, Putnam und Damte eine gemeinsame Firma in Kanada, die schon im Namen verrät, was sie will: Central European Petroleum (CEP) ist angetreten, den großen weißen Fleck zu erkunden.

Sechs Jahre später klettert Thomas Schröter behände eine Stahltreppe nur ein paar Schritte vom Achterwasser entfernt hinauf. Lütow 1 nennen sie die Testbohrung, mit der CEP gerade versucht, nach einem ersten Erfolg im nahegelegenen Pudagla ein zweites Vorkommen nachzuweisen. Aus derselben Wiese, auf der heute noch drei Ölpumpen aus DDR-Zeiten bescheidene Reste des vor fast 50 Jahren erschlossenen Vorkommens fördern, ragt der Bohrturm auf, der auf ein vermutetes neues Lager in 2 700 Meter schräg unter dem Boddenwasser zielt. Öl-Bonanza im Bodden? Nun, dass das Öl da unten ist, sei keine Frage, erklärt Schröter. "Wer hier bohrt, der findet auch was." 18 Millionen förderbare Tonnen Öl im Wert von 8,7 Milliarden Euro könnten unter dem Urlaubsparadies stecken. Erkundet wurde das Gebiet bisher nur mit den technischen Möglichkeiten der 60er. "Wir haben heute ganz andere Methoden." Offen ist allein, ob es sich lohnt, die Lagerstätte auszubeuten.

Denn Öl zu fördern in Deutschland, ist nicht nur ein Kampf, bei dem kräftige Männer und hochmoderne Technik Bohrköpfe im Wert von Luxuskarossen an jeweils 27 Meter langen Bohrgestänge-Stücken tausende Meter tief bis ins so genannte Staßfurtkarbonat treiben, wo das Öl in Porenspeichern sitzt wie Wasser in einem Eimer voller Tennisbälle. Es ist vor allem ein Kampf um Akzeptanz, der mit viel Geld geführt werden muss. 60 Millionen Euro hat CEP bereits in den Sand auf Usedom und in Brandenburg gesetzt - eine Menge Geld für einen Mittelständler mit 35 Mitarbeitern. "Wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten", beschreibt Thomas Schröter. Zu fest sitzen die Filmbilder von schwarzen Fluten, von einer Armada an Bohrtürmen und ausgezehrten Landstrichen in den Köpfen.

Dabei sieht die Wirklichkeit völlig anders aus. Auf Lütow 1 steht zwar ein imponierender Bohrturm, aber nur knapp sechs Wochen lang. "Danach kommt alles wieder weg", sagt Schröter und zeigt auf die endlosen Stahlgestänge, die aus 40 000 Tonnen Schotter, die aus Beton gestampfte Schutzwanne, den Kleintierschutzzaun, den Froschteich, die Werkstätten und die Labors der Geologen.

Dreimal sind sie mit der Bohrstelle schon umgezogen, jedes Mal gab es am neuen Einsatzort Bürgerversammlungen, Führungen und "unsere klare Bereitschaft, transparent zu arbeiten", wie Schröter sagt. Die Lichter am Bohrturm haben sie abgedimmt, damit keine Mücken hineinfliegen und sterben. Im Winter wird gar nicht gebohrt, wegen der Vögel. Aufträge werden an lokale Firmen vergeben, Mitarbeiter kommen nicht nur aus England, Holland und Polen, sondern auch aus der Region, die, so rechnet Schröter vor, im Erfolgsfall über Jahrzehnte von der Förderung profitieren werde.

Aber Öl hat eben ein mieses Image. Ganz im Gegensatz zu Wind und Sonne. "Jeder benutzt es, aber lieber soll es von weit weg kommen." Schröter hat auf fünf Kontinenten gebohrt und ist sich sicher, dass das Öl aus Usedom sauberes Öl sein wird: "Wir erfüllen alle Umweltauflagen und wir verschandeln nicht die Landschaft".

Kommt es wirklich zur Förderung, würden keine Türme gebaut wie früher und es wird auch keine keuchenden Pumpen geben, die die Ruhe der Idylle stören. "Eine Förderstätte ist heute nur so groß wie eine Garage und von einer zapfen wir gleich mehrere Bohrlöcher an."

Der Weg bis dahin aber ist noch lang. "Wir wissen, dass er da ist", sagt Thomas Schröter über den Ölschatz in der Tiefe, "aber ob es lohnt, es hochzuholen, werden wir erst wissen, wenn unsere Untersuchungen beendet sind."