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Reaktionen zum Tod Reaktionen zum Tod: Trauer um Paul Spiegel

30.04.2006, 18:55
Paul Spiegel, der langjährige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist im Alter von 68 Jahren am frühen Sonntagmorgen (30. April) gestorben. (Foto: dpa)
Paul Spiegel, der langjährige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist im Alter von 68 Jahren am frühen Sonntagmorgen (30. April) gestorben. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Berlin/dpa. - Mit tiefer Trauer hat Deutschland auf den Tod des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, reagiert. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien und Vertreter der Kirchen und verschiedener gesellschaftlicher Gruppen würdigtenSpiegel als großen Demokraten, Mahner für Toleranz und Warner vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Sie lobten seineDialogbereitschaft.

Bundespräsident Horst Köhler würdigte Spiegel als «deutschenPatrioten». Köhler sprach im Namen aller Menschen in Deutschland derFamilie von Paul Spiegel sein tiefes Beileid aus. «Paul Spiegel hatsich um Deutschland verdient gemacht.»

Die Vizepräsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, nannteSpiegel «einen außerordentlich beliebten Menschen» und sagte: «Nichtnur die jüdische Gemeinschaft wird um ihn trauern, sondern auch dienicht jüdische», sagte Knobloch der dpa am Rande der Gedenkfeiern zum61. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau inBayern.

Mit Trauer und «tiefer Erschütterung» reagierte BundeskanzlerinAngela Merkel. «Der verstorbene Präsident des Zentralrats der Judenin Deutschland war eine beeindruckende Persönlichkeit», sagte dieCDU-Vorsitzende. Spiegel habe sich «mit großer Leidenschaft und allseiner Kraft für eine gute Zukunft der jüdischen Gemeinschaft inDeutschland eingesetzt». Merkel sagte weiter: «Er mahnte, wo vielestumm blieben. Sein Einsatz für Zivilcourage, für Toleranz undgegenseitigen Respekt und gegen Fremdenfeindlichkeit undAntisemitismus hat Maßstäbe gesetzt.»

Als einen «großen Demokraten und einen überzeugten Mitstreiter fürMenschlichkeit, Achtung und Toleranz» würdigte Merkels VorgängerGerhard Schröder (SPD) Spiegel. «Paul Spiegel war ein Mann desDialogs zwischen den Religionen und ein Brückenbauer zur jüdischenWelt und zum Staat Israel.» Bundespräsident Horst Köhler wollte sicham späten Nachmittag äußern.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hob Spiegels «Engagementfür Toleranz und gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit» hervor. Erhabe zur Verständigung im Inneren und zum Ansehen «unseres Landes imAusland ganz wesentlich beigetragen». Der Bundesratspräsident undschleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen(CDU), sagte: «Seine mahnenden Worte werden unserem Land fehlen.»

«Paul Spiegel war ein wichtiger Gesprächspartner im gemeinsamenEngagement für eine freiheitliche Gesellschaft», sagte derVorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschlands (EKD), BischofWolfgang Huber. In einer Erklärung von Kardinal Karl Lehmann, demVorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, hieß es: «Wir haben inPaul Spiegel immer einen offenen und glaubwürdigen, menschlichüberzeugenden und versöhnungsbereiten Repräsentanten des Judentums inunserem Land gefunden und bedauern aus ganzem Herzen seinen Verlust»,Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland(ZMD), Ayyub Axel Köhler, drückte seine Trauer aus.

Der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärte, Spiegel habesich in Deutschland «große moralische Autorität erworben». Im Kampfgegen Antisemitismus und Rechtsextremismus habe er niemals resigniertund trotz deprimierender Rückschläge gerne in Deutschland gelebt.CSU-Chef Edmund Stoiber nannte Spiegel einen «Mann des Ausgleichs unddes Dialogs». FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: «Er war einepolitische und moralische Instanz, dessen Wort weit über die jüdischeGemeinde hinaus Autorität hatte.»

Spiegel sei «ein sehr standhafter Mensch ohne zu viel Diplomatie»gewesen, sagte Linkspartei-Chef Lothar Bisky. In einer Mitteilung derGrünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Fritz Kuhn heißt es,Spiegel habe insbesondere für die institutionelle Anerkennung derjüdischen Gemeinde Großes geleistet. Die Parteichefs der Grünen,Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, erklärten: «Mit Paul Spiegelverlieren wir einen Freund, der immer für die Aussöhnung nach demVerbrechen des Holocaust stand.» Die deutsche Zivilgesellschaftverliere einen engagierten Mitstreiter.

In einem Brief sprach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU)dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der ganzen jüdischenGemeinschaft in Deutschland seine Anteilnahme aus.

Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats, Michel Friedman,sagte, Spiegel habe stets «das Vertrauen in die Menschen in denVordergrund gestellt und mit der Hoffnung gelebt, dass die jungenGenerationen in Deutschland aus den Fehlern der Nazizeit gelernthaben». In einer Mitteilung des Internationalen Auschwitz Komiteeszum Tode Spiegels heißt es: «Sein Engagement für Freiheit undToleranz in Deutschland war beispielhaft, über die Verfolgung seinerFamilie in den Nazi-Jahren hat er berichtet, um dem Vergessen undVerdrängen zu wehren und vor allem junge Menschen zusensibilisieren.»