1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Reaktion: Reaktion: Verstärkte Kritik an Stallpflicht

Reaktion Reaktion: Verstärkte Kritik an Stallpflicht

Von Hans-Rüdiger Bein 17.02.2006, 11:28

Berlin/dpa. - Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag ergab, werden die Zoos die Auflagen bis Sonntag zwar notgedrungen erfüllen. Zunehmend verstärkt sich aber auch die offene Kritik an den Vorschriften, die von der Vogelgrippe bedrohten Tierarten in scheinbare Sicherheit unter Dach zu bringen.

«Wir müssen 10 Enten einsperren, und draußen fliegen tausende wilde Stockenten herum», sagte Tiergartenleiter Wolfgang Peter in Straubing. «Nach zwei Monaten auf engem Raum sind unsere Flamingos tot», warnte Tierärztin Eva Zimmermann in Dresden. «Es gibt ein paar Leute, die groß das Damoklesschwert schwingen», sagte Münsters Zoodirektor Jörg Adler. «Man darf nicht in Panik und blinden Aktionismus verfallen», sagte die Chefin des «Zoos am Meer» in Bremerhaven, Heike Kück.

Im Berliner Zoologischen Garten befürchtet Tierarzt Andreas Ochs nachhaltig negative Folgen der Einsperrpflicht: «Unter den hektischen Bedingungen paaren sich die Tiere nicht mehr oder nur selten. Die Nachwuchspflege ist massiv gefährdet.» Im Wisentgehege Springe waren bei der vergangenen Einfangaktion wie in vielen anderen Tiergärten auch mehrere Tiere an Stress eingegangen.

Die Zoo-Direktionen sind sich trotz ihrer Bedenken jedoch darüber im Klaren, dass sie angesichts der Bilder der vielen toten Schwäne auf Rügen keine Wahl haben. Die Fachleute versichern, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus H5N1 für Tiere und besonders auch für die Zoo- und Tiergarten-Besucher wirksam sind. «Die Tiere sind sicher eingestellt, weder für Besucher noch für Mitarbeiter besteht Gefahr», sagte die Sprecherin des Zoos in Frankfurt/Main, Caroline Liefke. Ausnahmen soll es nur für wenige, tatsächlich vom Stresstod bedrohte Tiere geben, wie zum Beispiel für das Straußenweibchen «Pia» in Münster und für Emu «Helmut» in Landau.

Das massenhafte Einfangen der Tiere wird noch einige Tage dauern. Die Aufregung unter den Tieren sorgt für handwerkliche Probleme der Tierpfleger. «Die Tiere haben gelernt und sind clever», sagte in Berlin Tierarzt Andreas Ochs. «Die Wasservögel flüchten instinktiv vor den Netzen der Fänger, wenn sie diese sehen, auf das gefrorene Eis der Teiche und kleinen Seen. Dann können wir erst einmal gar nichts machen.»

Ausgesprochenes Pech haben unter den Tieren vor allem einige Enten. Viele der flugfähigen Watscheltiere, die bisher in völliger Freiheit leben und nur in der kalten Winterzeit zum «Futterklau» die Zoos bevölkern, finden sich plötzlich als «Gefangene» in den Stallungen wieder.

Aber dort profitieren sie und viele andere zusammen gedrängte Tiere davon, dass sich pfiffige Tierpfleger einiges einfallen lassen. Im Zoo Hannover beschäftigen die Pfleger die Tiere, damit sie sich nicht langweilen. Das Futter wird etwas versteckt, oder Bälle zum Spielen werden ins Futter gemischt, teilte der Zoo mit.

Auch sonst beweisen viele Zoos nun Fantasie. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden reicht es zum Beispiel aus, bestimmte Anlagen kurzzeitig nur zu überdachen oder nur die Fütterung unter Dach vorzunehmen. Für die Tiere werden sogar Zelte aufgebaut, wie in Münster, und Volieren mühsam mit Folien überzogen, wie in mehreren deutschen Zoos.

In allen Anlagen sind den Angaben zufolge viele Streichelzoos vorübergehend geschlossen werden. Im Zoo Landau dürfen auch die sonst frei herumlaufenden Zwerggockel nicht mehr spazieren gehen. «Das war nett, vor allem für die Kinder, das ist nun ein Dämpfer, wenn die Tiere in Volieren gehalten werden müssen», sagte Zoo-Direktor Jens- Ove Heckel. Im Zoo Augsburg wurden die Futterautomaten abmoniert, aus denen sich Besucher gern Naschereien für die Wildvögel und andere Tiere holten. Das Anlocken der «menschenfreundlichen» Tiere ist jetzt mit einem zu hohen Risiko verbunden. (dpa)