1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Quelle: Quelle: Versandriese ganz klein

Quelle Quelle: Versandriese ganz klein

Von KATRIN LÖWE UND CAROLINE HEBESTREIT 20.10.2009, 05:52

LEIPZIG/MAGDEBURG/MZ. - Mit Tränenin den Augen steht sie vor dem Haupteingang des Leipziger Quelle-Versandzentrums. Hinterden Toren stapelt ein Fahrzeug Großcontainerhin und her - auf den ersten Blick scheintan diesem Dienstag alles normal.

Seit aberdas endgültige Aus für Quelle durchsickerte,ist nichts mehr normal im Industriegebietnahe dem Messegelände. "Nach so langer Zeitvor dem Nichts zu stehen, ist ein Schlag insGesicht", sagt Anke S. "Es ist ja nicht nurein Job, hier hängt auch Herzblut dran. Eswar immer ,meine’ Quelle", betont die 45-Jährige.18Jahre lang hat sie für das Versandhausgearbeitet, zuerst im Call-Center, seit 1995bei Küchen-Quelle. Dort "lief das Geschäftnach unserem Empfinden gut", sagt sie.

Dennoch kam für Anke S. schon am Wochenendedas Aus - da erhielt sie die Kündigung zum31. Januar. Und nun wird es wohl auch denRest der rund 800 Beschäftigten im LeipzigerVersandzentrum treffen. Am Morgen haben sieeine kurze Information erhalten. "Das allesso sang- und klanglos den Bach runter gehensoll, ist tragisch", sagt S. Neu orientierenwerde sie sich - doch ob das mit Mitte 40so einfach wird? Ihr Lebensgefährte hat Arbeit."Aber ich habe auch Kollegen, die sind alleinmit Kind, haben ein Haus abzuzahlen. Das sindharte Schicksale", sagt sie. Wie es weitergeht,ob sie nicht weit vor dem 31. Januar heimgeschicktwird - Anke S. ist wie anderen Betroffenenvieles unklar an diesem Tag. Selbst der Betriebsratdes Leipziger Quelle-Zentrums winkt betretenab. Am Donnerstag sollen die Mitarbeiter aufeiner Betriebsversammlung informiert werden.

Geschockt sind indes nicht nur Quelle-Beschäftigte.Das alles gehe ihm sehr nahe, sagt ein Mitarbeiterder Posttochter DHL, die beim Versandhauseine kleine Außenstelle hat. "Die Stimmungist seit Tagen mies, aber wir haben gedacht,das klappt mit dem Quelle-Verkauf." VergangeneWoche erst war angekündigt worden, dass aufDrängen von potenziellen Investoren in Leipzig150 Stellen gestrichen werden. "Aber daranhing es nun ja doch nicht." Ob auch sein Jobin Gefahr ist, wenn DHL das Quelle-Geschäftverliert? Er hoffe, nur versetzt zu werden,sagt der Mann.

Am Quelle-Hauptsitz im Raum Nürnberg/Fürthsind die meisten zu dieser Zeit bereits ernüchtert.Mit schwarzer Kleidung und Plakaten, auf denenein Sarg zu sehen ist, sind sie zur Betriebsversammlunggekommen. Sie erfahren, dass ein Großteilder Belegschaft schon zum 1. November gehenmuss. Teilweise eingerissen hängt am Vertriebszentrumin Nürnberg ein Plakat mit dem Titel "Lichtaus bei Quelle?" Am vergangenen Freitag, alsKirchen damit zum Gebet luden, war es nocheine Frage. Jetzt ernüchternde Gewissheit."Ich falle tief, ich falle hart auf den Boden",sagt Betriebsrat Armin Bachhuber. Im Quelle-Einkaufszentrumnebenan, das zum Jahresende schließen sollte,sind die Regale fast leer. Dort hängen Schildermit der Aufschrift "Schnäppchenverkauf" -der droht nun überall.

Mit welchen Folgen, das ist in Leipzig nochebenso unklar wie in Magdeburg, wo der Versandrieseein Call-Center mit 800 Mitarbeitern betreibt.Aus den Medien erfahren viele der Beschäftigtendie Hiobsbotschaft. Als reines Tochterunternehmenbefürchten die Angestellten des CommunicationCenters nun auch das Ende ihres Betriebes.Auf eine offizielle Information warten siebis gestern Nachmittag jedoch vergeblich,sagt Betriebsratsvorsitzender Hans-Georg Ebeling.Noch wird in Magdeburg normal weitergearbeitet,aber "jeder Tag ohne Informationen potenziertdie Fragen", so Ebeling. Er selbst sei schockiert.Immerhin hätten die Kunden dem Unternehmen- allen Spekulationen zum Trotz - weiter dieTreue gehalten, "was den Hoffnungsschimmernoch ein wenig genährt hat".

In Leipzig ist es an diesem Dienstag nur eineDHL-Mitarbeiterin, die die Hoffnung nichtaufgeben will. "Da kommt doch noch einer",sagt sie fast trotzig. Die riesigen Quelle-Hallenleer - für sie unvorstellbar.