Postdienste Postdienste: Mindestlohn kostet erste Arbeitsplätze

Luxemburg/dpa. - Wenige Tage nach Beschluss des Mindestlohns fürBriefzusteller plant der erste Wettbewerber der Deutschen PostMassenentlassungen. Der private Postzusteller PIN Group AG will «imersten Schritt weit über 1000 Mitarbeitern» kündigen. Darüber hinaussei eine Vielzahl weiterer Arbeitsplätze im Konzern gefährdet, teiltedas Unternehmen am Dienstag mit und verwies auf die Entscheidung derBundesregierung. Zunächst sind insbesondere Mitarbeiter in denBundesländern Niedersachsen und Bayern betroffen.
In der vergangenen Woche hatte sich die Bundesregierung daraufgeeinigt, einen Post-Mindestlohn in Höhe von 8 bis 9,80 Euro zum 1.Januar 2008 einzuführen; zu diesem Zeitpunkt fällt das Briefmonopolder Deutschen Post weg. Der Basislohn bei der PIN Group liegt nachAngaben einer Springer-Sprecherin durchschnittlich bei rund 7,50Euro. Die Axel Springer AG ist Hauptgesellschafter desPostzustellers. Der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienstehatte nach der Koalitionsentscheidung vor dem Verlust von bis zu20 000 Arbeitsplätzen gewarnt.
PIN-Chef Günter Thiel kritisierte in der Mitteilung: «Mit demüberhöhten Mindestlohn wurde bewusst in Kauf genommen, dassInvestments in Milliardenhöhe am Standort Deutschland zunichtegemacht werden und zigtausende von Arbeitsplätzen bei den privatenBriefdienstleistern verlorengehen.»
Die PIN Group mit ihren derzeit rund 9000 Beschäftigten ist nacheigenen Angaben der größte private Briefdienstleister nach derDeutschen Post. Die Springer-Sprecherin sagte, der Konzern prüfeweiterhin «alle Optionen» für PIN. Als solche hatte Springer-ChefMathias Döpfner nach der Koalitionsentscheidung genannt:Weiterführung, Kooperationen, Veränderung des Geschäftsmodells,Teilverkauf, Verkauf, Beendigung der Geschäftstätigkeit. Wettbewerbgegen die Deutsche Post sei unter der Bedingung des Mindestlohnspraktisch unmöglich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht nach der PIN-Ankündigungihre Vorbehalte gegen überhöhte Mindestlöhne bestätigt. «Wir sind inder Tat der Meinung, dass es nicht hilft, wenn nachher TausendeMenschen Arbeitslosengeld-I- und -II-Bezieher sind, weil wir ananderer Stelle einen zu hohen Mindestlohn zahlen», sagte Merkel amDienstag dem Fernsehsender N24. «Wir werden die Entwicklung ... sehrsorgsam beobachten und daraus dann auch für andere Branchen lernen»,sagte Merkel.
Dagegen sagte die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende AndreaNahles im «Tagesspiegel» (Mittwoch): «Ab dem 1. Januar verbessertsich die Wettbewerbssituation für die Konkurrenten der Post durch denWegfall des Briefmonopols deutlich. Wenn sie diesen Wettbewerb nurmit Dumpinglöhnen bestehen können, die der Staat aufstocken muss,dann stimmt etwas mit ihrer Kalkulation nicht.»
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte im Sendern-tv: «Die Entwicklung im Bereich der Post ist problematisch, das warvon Anfang an zu sehen.» Der Staat dürfe aber nicht Tarifverträgekorrigieren. Grundlage des Mindestlohns ist eine Tarifeinigung derGewerkschaft ver.di und des Arbeitgeberverbands Postdienste, in demunter anderem die Deutsche Post organisiert ist.
Der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Gregor Gysi, sagte, dieAnkündigung der PIN AG sei ein «brutaler Erpressungsversuch gegenüberder Politik». Diese dürfe sich nicht beugen, nur damit der Wettbewerb«über extrem niedrige Löhne» ausgetragen werden könne. DieSteuerzahler seien «nicht dafür da, der Wirtschaft die Löhne zusubventionieren.» Auch für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) istdie angekündigte Entlassung «ein dreister und durchsichtigerErpressungsversuch auf dem Rücken der Beschäftigten». Er zieledarauf, den Postmindestlohn «noch auf den letzten Metern zu Fall zubringen», sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki in Berlin. Eszeige sich, dass das Geschäftsmodell der PIN AG «nur mitDumpinglöhnen aufgeht».
Die FDP appellierte hingegen an die CDU, den Koalitionsplan fürMindestlöhne in der Branche zurückzunehmen. «Der Mindestlohn istnichts anderes als die Aufrechterhaltung des Postmonopols mit anderenMitteln», sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel in Berlin.