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Porträt: Über Umwege ins Nationaltrikot

10.11.2009, 20:47

Hamburg/dpa. - Robert Enke war ein außergewöhnlicher Torwart und ein außergewöhnlicher Mensch. Der Fußball prägte seinen Lebensweg, doch der gebürtige Thüringer blickte immer über die Glitzerwelt des Sports hinaus.

Die Anfänge seiner Torwart-Karriere machte Enke in seinem Geburtsort Jena. Beim FC Carl Zeiss spielte er in der 2. Bundesliga. Schnell gelang der Sprung ins Fußball-Oberhaus. Schon mit 18 Jahren debütierte er für Borussia Mönchengladbach, kurz darauf für die Junioren-Nationalmannschaft. Es zeichnete sich ein schneller Aufstieg zu einem der besten deutschen Torhüter ab.

Enke aber ging nicht den geraden Weg. Seine Neugier auf fremde Länder und fremde Kulturen führte den engagierten Tierschützer nicht zu einem deutschen Spitzenclub sondern zu Benfica Lissabon, wo er bei einem internationalen Traditionsverein unter Trainer Jupp Heynckes zur Führungskraft aufstieg. 1999 wurde er vom damaligen Nationalcoach Erich Ribbeck für den Confederations Cup in Mexiko berufen, kam jedoch nicht zum Einsatz.

Der nächste Karriereschritt brachte einen großen Knick. Beim FC Barcelona konnte sich der Thüringer nicht durchsetzen, bald wechselte er zu Fenerbahce Istanbul und in der Türkei wurde es noch schlimmer. Von den Fans beschimpft löste er seinen Vertrag auf und verzichtete damit auf sehr viel Geld.

Über den Umweg Teneriffa gelang 2004 die Rückkehr in die Bundesliga und bei Hannover 96 der verspätete Aufstieg zum Nationaltorwart. Bundestrainer Joachim Löw holte den ruhigen und umsichtigen Sportler wieder ins DFB-Team. Sein Debüt im Nationaltrikot gab Enke beim Testspiel gegen Dänemark (0:1) im März 2007. Bei der EM 2008 war er hinter Jens Lehmann die deutsche Nummer zwei.

Sein letztes von insgesamt acht Länderspielen bestritt Enke beim 2:0-Sieg in der WM-Qualifikation im August in Aserbaidschan. Anschließend setzte ihn eine Bakterieninfektion im Kampf mit René Adler, Manuel Neuer und Tim Wiese um die WM-Tickets mehrere Wochen außer Gefecht. Erst Ende des vergangenen Monats kehrte er bei Hannover 96 ins Tor zurück und war auch am Sonntagnachmittag beim 2:2 gegen den Hamburger SV noch im Einsatz. Insgesamt bestritt er 190 Bundesliga-Spiele.

Privat war das Leben Enkes, der im Gegensatz zu vielen anderen Torhütern abseits des Rasens stets ruhig und sachlich auftrat, vom frühen Tod seiner herzkranken Tochter Lara überschattet, die 2006 im Alter von zwei Jahren nach mehreren Operationen gestorben war. Im Mai dieses Jahres hatten Enke ein wenige Monate altes Mädchen adoptiert. Am frühen Abend des 10. November starb Enke, als er in der Nähe von Hannover von einem Zug erfasst wurde.