1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Porträt: Porträt: Kay Nehm

Porträt Porträt: Kay Nehm

Von Wolfgang Janisch 30.05.2006, 12:40

Karlsruhe/dpa. - Der Stuhl des politischen Beamten, der jederzeit zum Frühpensionär hätte degradiert werden können, war in den vergangenen Jahren zu einer wackeligen Sitzgelegenheit geworden. Nach dem unrühmlichen Abgang seines Vorgängers Alexander von Stahl - Anlass waren Pannen nach dem missglückten Antiterroreinsatz in Bad Kleinen - konnte Nehm die Bundesanwaltschaft zunächst wieder in ruhiges Fahrwasser bringen.

Doch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA stand er unversehens im Blick der Öffentlichkeit. Zugleich geriet der spröde Spitzenjurist ins Visier der Politik, der er - tief in der Justiz verwurzelt - ohnehin misstrauisch gegenüber steht. In einer Krisenstabssitzung wurde er hart angegangen, warum er dem Drängen der Behörden nicht nachgegeben habe, längst vor dem 11. September Terrorermittlungen gegen einen Deutsch-Syrer aus Hamburg einzuleiten.

Die Angelegenheit ist charakteristisch für Nehms Gebaren in Zeiten islamistischen Terrors. Kritiker verwies er auf die Gesetzeslage, die damals eine Verfolgung ausländischer Terrorgruppen nicht zuließ. Doch dem öffentlichkeitsscheuen Chefermittler gelang es nicht, das Image des Zögerers und Zauderers loszuwerden.

Ähnlich war es bei den Prozessen gegen die als Helfershelfer der Hamburger Selbstmordpiloten verfolgten Mounir El Motassadeq und Abdelghani Mzoudi. Motassadeqs erstes Urteil wurde gekippt und im zweiten Prozess reduziert, Mzoudi wurde freigesprochen. Von einer Schlappe für Nehm war die Rede - zu Unrecht, fanden viele. «Strikt am Recht orientiert», fasste Nehm kürzlich seine Amtszeit zusammen und fügte hinzu: «Das ist nicht immer gut angekommen in der Politik.»

Dabei hat der Sohn eines schleswig-holsteinischen Generalstaatsanwalts nach einer Karriere als Bundesanwalt und Bundesrichter eine respektable Amtszeit als Chefermittler vorzuweisen. Beim Umgang mit der verbotenen kurdischen PKK trug er Beobachtern zufolge in den 90er Jahren zur Deeskalation bei.

Die Verfolgung rechtsextremistischer Schläger trieb er voran, noch bevor die Politik den «Aufstand der Anständigen» ausgerufen hatte. Dass er ausgerechnet kurz vor seiner Pensionierung den Fall des in Potsdam niedergeschlagenen Deutsch-Äthiopiers abgeben musste, ist bitter für Nehm.