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Zusatzrente Zusatzrente: Wird die DDR-Intelligenz für dumm verkauft?

Von Bärbel Böttcher 20.01.2003, 20:59
Senioren (Archivfoto: dpa)
Senioren (Archivfoto: dpa) dpa

Halle/MZ. - Der Streit um die Auszahlung von DDR-Intelligenzrenten schwelt weiter. Während die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erklärt, nur nach Recht und Gesetz zu handeln, sehen Betroffene dies anders. Rechtsanwalt Karl-Heinz Christoph vertritt zahlreiche Kläger in dieser Sache vor Gericht. Seiner Meinung nach «trickst die BfA». Die größten Probleme haben dabei jene, in deren DDR-Berufsbezeichnung das Wort «Ingenieur» nicht vorkam. Ihnen wird die Auszahlung der Sonderrente vorenthalten.

Bei der Anerkennung von so genannten Intelligenzrenten der DDR geht alles mit rechten Dingen zu - sagt die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Sie beruft sich auf Urteile des Bundessozialgerichtes und nicht zuletzt auf die Bestimmungen, die in der DDR Gültigkeit hatten. Die Betroffenen sehen das anders.

Der Berliner Rechtsanwalt Karl-Heinz Christoph, der viele von ihnen vor Gericht vertritt, sagt: "Tricksen ist noch ein schönfärberischer Ausdruck." Es werde nämlich verschwiegen, "dass kein Rentner mit Ansprüchen aus der DDR eine dem Westen vergleichbare Zusatzversorgung erhält".

Das Urteil von 1998

Am 30. Juni 1990 wurden die Zusatzversorgungssysteme geschlossen. Die BfA wurde mit deren Verwaltung beauftragt. Bis 1998 gewährte sie die Zusatzrente nur denen, die eine Versorgungszusage vorlegen konnten. Wegen der aber oft willkürlichen DDR-Praxis urteilte das Bundessozialgericht 1998: Die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem hängt nicht notwendigerweise davon ab, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden ist. Zugehörigkeit liegt auch vor, wenn eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war.

Trotz dieses Urteils wird die "Intelligenzrente" weiter auch einem Teil der Technischen Intelligenz vorenthalten. Und zwar, wenn in ihrer Berufsbezeichnung nicht das Wort "Ingenieur" auftaucht. So kann es geschehen, dass zum Beispiel ein Diplom-Ingenieur und ein Diplom-Chemiker, die mit der gleichen Arbeit beschäftigt waren, unterschiedlich behandelt werden.

Problem Akademiker

"Eine Ungerechtigkeit", findet Peter Utermark, der eine Initiativgruppe leitet, die sich am ehemaligen Chemiestandort Zeitz mit diesen Fragen beschäftigt. "Chemiker gehörten in der DDR zum ingenieur-technischen Personal."

Die BfA beruft sich hier auf DDR-Recht. In der beispielhaften Aufzählung im Paragraf eins der zweiten Durchführungsbestimmung zur Intelligenzrente von 1951 seien Diplom-Chemiker und andere Akademiker nicht ausdrücklich als Bezugsberechtigte genannt. "Falsch", meint Werner Mühlhausen vom Seniorenrat Halle. Er verweist auf einen Absatz der Bestimmung, wonach ausdrücklich auch Nicht-Ingenieure in den Kreis einbezogen werden können. Aber dies werde bei der nachträglichen Zuerkennung der Mitgliedschaft bewusst unterschlagen. Und Utermark sagt: "Die betriebliche Praxis in der DDR-Industrie kannte bezüglich der zusätzlichen Altersversorgung nachweislich keine Unterschiede zwischen Berufsgruppen der technischen Intelligenz." Rechtsanwalt Christoph und auch der Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie haben inzwischen Verfassungsbeschwerde eingereicht. "Begehrt wird", so Utermark, "die Versorgungszusage für die betroffenen Akademiker für die Zeit, in der sie in den volkseigenen oder diesen gleichgestellten Betrieben der DDR beschäftigt waren, also Zeiten vor oder bis zum Stichtag 30. Juni 1990. Nicht mehr und nicht weniger." Entscheidungen stehen noch aus. Für Anwalt Christoph ist diese Praxis der BfA ein weiterer Beweis für die "haarsträubende Auslegung ehemaliger DDR-Bestimmungen" durch das Bundessozialgericht. Dessen Entscheidungen seien nicht mehr nachvollziehbar.

«Stichtags-Willkür»

Das gelte auch für die Stichtags-Regelung für Betroffene ohne Versorgungszusage. Danach gehen alle leer aus, die zwar die Bedingungen erfüllen, aber am 30. Juni 1990 entweder nicht mehr in einem VEB beschäftigt waren, oder deren Betrieb bereits in eine GmbH umgewandelt war. "Das ist ein neuerlicher Willkür der BfA", so Utermark. Und Christoph resümiert: "Eine vernünftige, den Rechten der ehemaligen DDR-Bürger entsprechende Renten- und Versorgungsüberleitung ist nach wie vor nicht erfolgt."