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Zum Tod von Annemarie Renger Zum Tod von Annemarie Renger: Die Grande Dame der SPD ist tot

03.03.2008, 10:43

Leipzig/dpa. - Die erste Frau und erste Sozialdemokratin an derSpitze des Deutschen Bundestags, Annemarie Renger, ist tot. Diegebürtige Leipzigerin starb nach langer, schwerer Krankheit amMontag im Alter von 88 Jahren in ihrem Haus in Oberwinter bei Bonn.Nach Angaben ihrer Familie lebte die SPD-Politikerin zuletzt in einerKlinik und wurde erst kurz vor ihrem Tod wieder nach Hause gebracht.Die Lebensleistung der ersten Bundestagspräsidentin wurde von allenParteien gewürdigt. Der heutige Parlamentspräsident Norbert Lammert(CDU) bezeichnete sie als «Abgeordnete mit Leib und Seele».

Geboren wurde Renger am 7. Oktober 1919 in Leipzig. Das Elternhauswar sozialdemokratisch geprägt. Ihr Vater, ein Tischler, war Stadtratund Aktivist der Arbeitersportbewegung. Ihre Mutter war eines derersten weiblichen Mitglieder der SPD. Auch mit dem SozialdemokratenPaul Löbe, der in der Weimarer Republik Präsident des Reichstags war,war Renger verwandt. Nach dem Umzug der Familie nach Berlinabsolvierte sie eine Verlagslehre und arbeitete als Stenotypistin. ImZweiten Weltkrieg fielen ihr erster Mann und drei von vier Brüdern.

Nach dem Krieg wurde Renger zur engsten Vertrauten des ersten SPD-Nachkriegsvorsitzenden Kurt Schumacher. Nach dessen Tod 1952 ging sieselbst in die Politik. Die «Grande Dame» der Sozialdemokraten gehörtevon 1953 bis 1990 dem Bundestag an. Zu Zeiten der sozialliberalenKoalition war Renger dann zwischen 1972 und 1976 die erste Frau, diean der Spitze des Bundestags stand. Damals galt sie als bekanntestedeutsche Politikerin überhaupt.

1979 trat Renger auch bei der Wahl des Bundespräsidenten an,verlor aber klar gegen den CDU/CSU-Kandidaten Karl Carstens. Mit derersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 ging ihre Zeit imParlament dann nach 37 Jahren zu Ende. Ein besonderes Anliegen warRenger die Aussöhnung mit Israel. Nach dem Ausscheiden aus deraktiven Politik fand sie eine neue Aufgabe als Präsidentin desDeutschen Rates der Europäischen Bewegung. Ihr zweiter Ehemann, einfrüherer jugoslawischer Diplomat, verstarb bereits 1973. Ihr einzigerSohn starb 1998.

Der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck nannte Renger «eine der großenpolitischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit. Sie hat Geschichtegeschrieben.» Er sei «dankbar für ihre Ratschläge, die vonLebenserfahrung und Klugheit geprägt waren». ParlamentspräsidentLammert erklärte: «Der Deutsche Bundestag und unser Land habenAnnemarie Renger viel zu verdanken. Mit ihr haben wir eine bedeutendeParlamentarierin verloren, eine engagierte Demokratin, eineAbgeordnete mit Leib und Seele.»