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Zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß Zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß: Keine Entschuldigungen - der Prototyp des bayerischen Politikers

Von Daniela Vates 04.09.2015, 15:32
Franz Josef Strauß beim CSU-Parteitag 1985 in München
Franz Josef Strauß beim CSU-Parteitag 1985 in München dpa Lizenz

Berlin - Was bleibt von Franz Josef Strauß, ist ein Stück einer mehrspurigen Münchner Straße, auf der sich die Autos oft stauen. Was bleibt, ist ein Flughafenname, kein offizieller allerdings. Was bleibt, ist eine Metallbüste im Büro seines  Nachnachfolgers, in dessen Rücken. 

Die Partei, seine Partei, immerhin, hat ein Sonderheft drucken lassen aus Anlass des 100. Geburtstags. Es gibt ein paar Gedenkveranstaltungen. Und unter „Franz Josef Strauß – Neu!“ bietet die CSU in ihrem Souvenirshop schwarze Tassen mit dem ährenumkränzten Schriftzug FJS feil, für 6,90 Euro das Stück. T-Shirts kosten das Doppelte. Die Partei preist sie mit den Worten an: „Jene, die ihn gekannt haben, schwärmen von ihm! Seine politischen Gegner schätzen ihn! Die, die ihn erlebt haben, verehren ihn! Das war Franz Josef Strauß!“ Auf jeden Fall hat die CSU für ihren früheren Vorsitzenden ziemlich viele Ausrufezeichen übrig. Oder Befehlszeichen.

Claudia Roth, die ehemalige Vorsitzende der Grünen, aus Bayern wie Strauß, sagt: „Ich habe ihm zu verdanken, dass ich bin, wie ich bin.“ Claudia Roth ist so etwas wie ein Anti-Strauß geworden. Sie hat gegen alles angekämpft, was Strauß  politisch forderte und förderte. Gegen Atomwaffen, Atomkraftwerke und Autoritarismus. „Es war sehr schwer, ein Gefühl von Heimat in Bayern zu bekommen“, sagt Roth.

Heimat, das war es, was Strauß mit sich, mit seiner  CSU verbunden wissen wollte. Und irgendwie hat er das geschafft. Er wurde der Prototyp, auch die Karikatur des bayerischen Politikers – von gedrungener Statur und immer einen derben Spruch auf den Lippen. Ausgerechnet er, der Einserschüler, der Alte Sprachen studiert hatte und eigentlich Geschichts-Professor werden wollte, war auf der politischen Bühne zwar ein ausdauernder Redner – der seine Weltsicht auch gern mal in drei Stunden am Stück darlegte –, aber oft wenig distinguiert.

Für die Opposition gab es Sprüche wie: „Die hiesigen Breschnew-Bewunderer haben weniger Hirn im Kopf als er im Hintern hat.“ Zwischenrufer auf Veranstaltungen rief er schon mal zu: „Halt’s Maul!“ Oder auch: „Sie Pilzkopf!“ Die Kollegen von der Schwesterpartei CDU bezeichnete er als „politische Pygmäen“ und „Zwerge im Westentaschenformat“. Und seine Abneigung gegen Helmut Kohl äußerte Strauß  einmal  folgendermaßen: „Der wird nie Kanzler werden. Der ist total unfähig. Ihm fehlen alle charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles.“

Unterhaltsam war das durchaus, auch im Vortrag. Da arbeitete sich einer auf am Rednerpult, schwitzend, schimpfend, auf den Zehen wippend als gäbe es irgendwo eine eingebaute Sprungfeder.

Aber es war ja nicht nur das. Franz Josef Strauß war kein Ein-Mann-Kabarett, er war ein ehrgeiziger Politiker mit eigenen Ideen, er drängelte und stieg immer weiter nach oben. Er war einer, der forderte und nicht wartete, bis Angebote kamen. Intelligenz, Organisationsfähigkeit und das Erkennen von Gelegenheiten, Machtbewusstsein halfen auf dem Weg  nach oben. „Stoppt Strauß“ hefteten sich schließlich seine Gegner wie einen verzweifelten Hilferuf als Plaketten auf die Kleidung, in Stoppschild-Optik.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt über den rasanten Aufstieg des Metzgersohnes.

Es schien nötig, bei einem so rasanten Aufstieg: Der Metzgerssohn aus der Schellingstraße in München-Schwabing, einst nach Erinnerung eines Freundes ein „schlankes Bürscherl mit einer bescheidenen Frisur“, ein begeisterter Fahrradfahrer, aber ein schlechter Fußballspieler, schien kaum zu bremsen zu sein. Ein Pfarrer hatte bei den streng katholischen Eltern den Gymnasiumsbesuch erkämpft. Strauß war nach dem Krieg erst Landrat geworden, dann   Bundestagsabgeordneter bereits im ersten Bonner Parlament 1949, mit 38 Jahren der jüngste Minister im Kabinett Adenauer, für Sonderaufgaben erst, dann zwei Jahre später für Atomfragen. Atomminister, diesen bizarren Titel trug Strauß mit Stolz und beförderte den Bau von Atomkraftwerken in Deutschland. Ein weiteres Jahr später übernahm er eines der wichtigsten Ressorts: das Verteidigungsministerium. Am Rückzug seines Vorgängers Theodor Blank soll er nicht ganz unschuldig gewesen zu sein.

Aus dem Bürscherl mit bescheidener Frisur war da schon lange ein ziemlich stabiles Mannsbild geworden, er hatte inzwischen  mit Immobilien ein Vermögen angehäuft, aus dem Franzl wurde ein Franz Josef.

Und dann stand sich Strauß auf einmal selbst im Weg. Er drängelte und schubste weiter, diesmal jene, die seine Genialität nicht bis ins Letzte anerkennen wollten. Als das Magazin Der Spiegel 1962 eine bundeswehrkritische Geschichte mit der Schlagzeile „Bedingt abwehrbereit“ auf den Titel hob, wurden Herausgeber Rudolf Augstein und ein Redakteur verhaftet, wegen Verdachts auf Landesverrat. Strauß hatte sich persönlich eingemischt, die Spiegel-Affäre kostete ihn das Amt – es war seine erste große Niederlage.

Er ist dann wenige Jahre nach seinem Rücktritt wieder zurück im Kabinett, diesmal als Finanzminister einer Großen Koalition. Als sie  zerbricht, kehrt Strauß den Sozialisten- und Kommunistenfresser nach außen, CSU-Chef ist er zu dieser Zeit schon seit Jahren. Nun übernimmt er in Bayern auch noch das Amt des Ministerpräsidenten. Noch höher sollte er nicht kommen: 1980 scheitert Strauß als Kanzlerkandidat der Union, es ist seine zweite große Niederlage. Er bleibt Bayerns Regionalfürst, und muss zusehen, wie dem von ihm geschmähten Helmut Kohl zwei Jahre später der Weg ins Kanzleramt gelingt.

Strauß macht sich als bayerischer Kanzler quasi-selbstständig, und dokumentiert sein Selbstbewusstsein mit Auslandsreisen. Als ausgerechnet er dann in den 80er-Jahren   der DDR einen Milliardenkredit verschafft, sind seine Unterstützer irritiert.

Er ist einer  der umstrittensten Politiker seiner Zeit und der mit den meisten Affären. Er weiß, seine  Macht zu nutzen und auszunutzen.

Selten hat er Fehler eingeräumt. In einem Fernsehinterview mit dem Journalisten und späteren DDR-Botschafter Günter Gaus etwa sagt er 1964: „Vielleicht habe ich die Neigung zu übertreiben.“ Der eine oder andere Auftritt fällt ihm ein, nicht aber die Spiegel-Affäre, die ihn erst zwei Jahre zuvor zum Rücktritt gezwungen hatte. Er fühlt sich meist zu Unrecht verfolgt.

Im Jahr 1988 stirbt Franz Josef Strauß  auf einem Jagdausflug, mit 73 Jahren.

Sein Tod kommt unerwartet und  so stürzt er die  CSU ins Chaos. Die politischen Erben zerstreiten sich umgehend. Die drei Kinder machen Schlagzeilen mit Prozessen, Finanzproblemen oder politischen Raufereien. Immer neue Informationen über schwarze Kassen lassen das Bild des großen Vorsitzenden  allmählich verblassen. Doch  als die damalige CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer es vor einigen Jahren wagt, den Vorbildcharakter des Musterbayern zu bezweifeln, verliert sie fast ihren Job. So weit geht es dann doch nicht.

„Dankbar rückwärts, mutig vorwärts, gläubig aufwärts“ unter diesem Motto steht der Geburtstags-Festakt am Freitag in der Hofkirche der Münchner Residenz. Die CSU hat wieder die absolute Mehrheit. Die Opposition boykottiert den Termin.