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Zuhause in Havelberg Zuhause in Havelberg: Johanna Wanka zieht es nach Sachsen-Anhalt

Von Julius Lukas 30.09.2015, 06:04
Johanna Wanka
Johanna Wanka Gehrmann Lizenz

Havelberg - Wahrscheinlich kann man vom Berliner Politikbetrieb nicht viel weiter weg sein als an einem Freitagnachmittag auf dem Wochenmarkt in Havelberg. Zehn Buden stehen in U-Form aneinander gereiht auf dem engen Marktplatz der Hansestadt. In ihrer Mitte sind ein paar Holzbänke und Tische aufgebaut. Es gibt Blechkuchen, Hanf-Crêpes und Gulasch vom Strauß. Alles geht gemächlich zu. Die Menschen, die hier von Stand zu Stand ziehen, tragen bunte Blusen, Herrenhandtaschen und Rucksäcke. Viele von ihnen sind Buga-Touristen. Die Gartenschau, die die Region seit Monaten belebt, befindet sich in ihren letzten Zügen.

Dienstsitz in Berlin

Zwischen den Menschen, an einem Stand für Handarbeiten und Kurzwaren, steht Johanna Wanka. Die CDU-Politikerin und Bundesministerin für Bildung und Forschung kommt gerade aus Berlin, aus dem Regierungsviertel, dem politischen Herzen der Hauptstadt. Aus einer anderen Welt. „Es war Sitzungswoche im Bundestag“, sagt die 64-Jährige. In Berlin hat sie noch eine Wohnung, quasi ihren Dienstsitz.

Im Parlament ging es um Waffenlieferungen nach Mexiko und nationales Bankenabwicklungsrecht. Noch in der Nacht zu Freitag war Wanka dabei, als ein Bund-Länder-Paket ausgehandelt wurde, mit dem die Flüchtlingskrise besser bewältigt werden soll.

Zuhause in Havelberg

Nun, nicht mal 24 Stunden später, schaut sie sich gehäkelte Deckchen und Tücher an. In ihrem Dienst-Outfit, einem dunkelblauen Hosenanzug, passt sie nicht so richtig in die Wochenmarkt-Szenerie. Doch Havelberg ist der Ort, den Johanna Wanka seit einem guten halben Jahr ihr „Zuhause“ nennt. Die 7 200-Einwohner-Stadt liegt am nordöstlichen Ende von Sachsen-Anhalt. Wo Havelberg aufhört, beginnt Brandenburg. Im Frühjahr zog Wanka mit ihrem Mann, einem Mathematik-Professor, aus Potsdam hierher. „Wir haben uns ein altes Pfarrhaus in einem eher ländlichen Ortsteil gekauft“, erzählt Wanka, die seit Anfang 2013 Ministerin im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist.

Nur Übergangslösung?

Zuvor war sie bereits in Brandenburg und Niedersachsen für die Bildung zuständig. Im Bundesamt folgte sie auf Annette Schavan (CDU), die über ihre Doktorarbeit stolperte. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl galt Wanka vielen allerdings nur als Übergangslösung. Doch sie blieb im Amt, auch weil sie mit ihrer ruhigen und doch beharrlichen Art in einem schwierigen Ressort schnell Erfolge erzielte. In der Bildung gibt es seit jeher Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern. Unter Wankas Leitung wurden die Hürden für eine Zusammenarbeit jedoch weiter gesenkt. Heute kann der Bund besser in die Bildung investieren. Zudem nahm sie den Ländern die Kosten für das Bafög ab und entlastete sie so in Milliardenhöhe. Aktuell arbeitet ihr Ministerium daran, die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft zu verbessern. Ein Gesetz soll bald verabschiedet werden.

Prägende Jahre in Sachsen-Anhalt

Mit dieser Bilanz gehört sie zu den erfolgreicheren Ministern auf Bundesebene. Und unter den Zuzüglern nach Sachsen-Anhalt ist sie eine der prominentesten. Für sie ist der Umzug jedoch auch eine Rückkehr in das Land, in dem sie die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hat. Wanka kam in Sachsen-Anhalt zur Welt. Rosenfeld, ihr Geburtsort, lag im April 1951 auf sachsen-anhaltischem Territorium. Mittlerweile zählt das Dorf zu Sachsen. Nach dem Studium in Leipzig ging die Diplom-Mathematikerin an die Hochschule nach Merseburg. Von 1974 bis 2000 lebte sie in der Stadt im Saalekreis. „Dort gründeten wir eine Familie, dort wuchsen unsere Kinder auf, dort fassten wir beruflich Fuß“, blickt Wanka zurück. Und in Merseburg begann auch ihre politische Karriere – erst im Neuen Forum und später im Kreistag. „Das war eine entscheidende Zeit in unserem Leben“, sagt Wanka. Die Jahre in Sachsen-Anhalt prägten sie. Bei der Auswahl von Havelberg spielten Landesgrenzen jedoch keine Rolle. Was ihr wichtig war, zeigt Wanka eine knappe halbe Stunde vor dem Wochenmarkt-Besuch. Da steht sie 70 Meter über der Stadt im vollverglasten Buga-Tower. Die Aussichtsplattform ist ein Highlight der Gartenschau. Wanka deutet aus dem Panoramafenster. Unter ihr erstreckt sich Havelberg mit seinem „wuchtigen und kolossalen Dom“. Dahinter sieht man, wie sich die Havel, gesäumt von grünen Wiesen und Wäldern, in die Elbe schlängelt. „Diese Flusslandschaft ist es, die mich so begeistert und weswegen ich mich hier zu Hause fühle“, sagt die 64-jährige.

Begeistert von Haus und Region

Dass sie nach Havelberg und nicht an einen anderen Elbabschnitt gezogen ist, war jedoch eher ein Zufall. „Vor eineinhalb Jahren haben mein Mann und ich uns entschieden, nach einem Haus zu suchen“, sagt Wanka. Ehe sie aber selber begonnen hatten, sich umzuschauen, zeigte ihnen ihre Schwiegertochter schon das Pfarrhaus in Havelberg. „Eigentlich nimmt man ja nicht gleich das erste Angebot“, sagt Wanka. Aber sie seien von Haus und Region so begeistert gewesen, dass sie nicht weiter suchen mussten.

Die schnelle Entscheidung für Havelberg war dabei auch eine bewusste für das Leben auf dem Land. Wanka kennt die demografischen Probleme, die fernab der großen Städte herrschen. Trotzdem, sagt sie, könne man hier gut leben. „Für mich bedeutet der ländlicher Raum Natur, Ruhe, Distanz zur Hektik, große Freiräume und dadurch eine hohe Lebensqualität“, sagt sie. Hier könne sie endlich wieder einen Garten haben. Und auch die ärztliche und kulturelle Versorgung sei nicht so schlecht, wie oft gedacht werde. „Und wenn man wirklich mal in ein großes Theater will, kann man auch nach Magdeburg oder Berlin fahren.“

Das Einzige, was Wanka in Havelberg noch fehlt, ist Zeit. Zeit, sich länger auf dem Wochenmarkt umzusehen. Zeit, die Stadt und Region zu erkunden. Am Freitag, nach dem Buga-Besuch, fährt sie in ihr Haus. Am Samstag geht es schon wieder weiter nach Magdeburg, zum Zukunftskongress der CDU. „Aber um alles hier genauer zu entdecken, wird später mehr Zeit sein“, sagt Wanka. Ob dieses „Später“ schon in zwei Jahren ist, wenn ihre Amtszeit endet, lässt sie jedoch offen. „Das steht jetzt überhaupt nicht zur Debatte.“ (mz)