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Zivildienst Zivildienst: Verbände können sich Arbeit ohne Zivis nicht vorstellen

27.07.2004, 07:06
Im Zentrum für Geriatrie des Helios-Klinikums in Erfurt betreut der Zivildienstleistende Thomas Kästner aus Erfurt die Patientin Monika Jähnigen. (Archivfoto: dpa)
Im Zentrum für Geriatrie des Helios-Klinikums in Erfurt betreut der Zivildienstleistende Thomas Kästner aus Erfurt die Patientin Monika Jähnigen. (Archivfoto: dpa) ZB

Erfurt/dpa. - Rund 2000 Zivildienstleistende sind in Thüringentäglich im Einsatz. Sie fahren Essen aus, helfen in Krankenhäusern,kaufen für Senioren ein, Singen und Basteln mit ihnen. Viele alte undkranke Menschen sind auf sie angewiesen. Die Bundesregierung planteine Verkürzung des Zivildienstes. In vier bis sechs Jahren könnte ermöglicherweise ganz abgeschafft werden. Verbände warnen deshalb vorKonsequenzen. Ohne die Arbeit der Zivildienstleistenden droht ausihrer Sicht ein immenser Qualitätsverlust im Pflegebereich, ergabeine dpa-Umfrage. «Es wäre eine Katastrophe, wenn unser Essen-auf-Rädern-Dienst eingestellt würde», sagt der Fahrdienstleiter desArbeiter-Samariter-Bundes Hermsdorf (ASB), Jörg Friedrich.

Zivildienstler Falk Johnke fährt für den ASB täglich Mittagessenfür Hilfebedürftige aus. Der 19-Jährige geht vormittags mit Seniorenzum Arzt, mittags bringt er das Essen und am Nachmittag ist Einkaufenund Spazierengehen angesagt. «Wenn es euch nicht gäbe...», sagen dieRentner. «Meine Kunden freuen sich richtig, wenn ich komme. Für vielebin ich der einzige Kontakt zur Außenwelt», sagt Johnke. Bis zu fünf«Zivis» des ASB Hermsdorf betreuen Senioren aus der Region, «einegeschätzte und notwendige» Arbeit. «Manchmal geht es auch einfach nurdarum, Mäuse im Haus zu fangen oder den Müll zu entsorgen», sagtFriedrich.

Der Deutsche Caritasverband befürchtet wesentliche Einschnitteohne die Zusatzdienste der «Zivis». Ein Qualitätsverlust könne nichtakzeptiert werden, sagt der Leiter der Arbeitsstelle Zivildienst,Michael Bergmann, in Freiburg. Auch auf das Helios-Klinikum in Erfurtkämen ohne die Zivildienstler große Probleme zu, sagt eineSprecherin. Wer dann die Patienten zum Röntgen begleitet oder beimWaschen hilft, sei noch unklar. Bisher dauert der Zivildienst zehnMonate. Der Bund möchte ihn auf neun Monate verkürzen. Dazu kommenDiskussionen über eine Abschaffung des Wehrdienstes und damit auchdes Zivildienstes.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Thüringen hofft, drohendeLücken bei der Betreuung auf andere Weise zu schließen. Die freienStellen sollten dann aber durch Ehrenamtliche und freiwilligeArbeitslosengeld II-Empfänger und Fachpersonal besetzt werden. «DiePolitik muss rechtzeitig nach Lösungen suchen und Alternativenaufzeigen.» Die 800 Millionen Euro, die der Bund jährlich für denZivildienst ausgibt, müssten weiter den Sozialverbänden zukommen.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) setzt bereits jetzt zunehmend aufehrenamtliche Helfer. «Schafft der Gesetzgeber rechtzeitig dieerforderlichen Rahmenbedingungen, können die Sozialdienste ihreLeistungen auch über geringfügig Beschäftigte erbringen», betontVolker Mosemann, DRK-Referent für den Zivildienst in Berlin. «Mini-Jobs sind eine Alternative.»

Fahrdienstleiter Friedrich vom ASB kann sich nicht vorstellen, vonheute auf morgen auf die «Zivis» zu verzichten. «Eine vollbeschäftige Kraft in diesem Sektor können wir uns nicht leisten»,sagt er. Jugendliche, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren,seien kein Ersatz. «Ihr Einsatz ist nicht planbar. Bekommen sie eineLehrstelle, sind sie weg. Außerdem haben die meisten noch keinenFührerschein, um Essen auszufahren.»