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Kommentar Wie sollte man mit der AfD im Bundestag umgehen?

Von Kordula Doerfler 24.10.2017, 08:43
Alice Weidel ist Vorsitzende der AfD Bundestagsfraktion.
Alice Weidel ist Vorsitzende der AfD Bundestagsfraktion. dpa

Berlin - Der Deutsche Bundestag ist von heute an ein anderer als zuvor. Zum ersten Mal ziehen auch in Deutschland moderne Rechtspopulisten ins Parlament ein, und das gleich als drittstärkste Kraft. In gewisser Weise ist das eine Annäherung an die europäische Normalität.

Einige der Abgeordneten der Alternative für Deutschland stehen so weit rechts, dass dumpfes völkisches und sogar rechtsextremes Gedankengut im Bundestag vertreten sein wird. Das ist durchaus Grund zur Sorge, denn es ist in der Mitte der Gesellschaft wieder salonfähig und damit wählbar geworden. Nazis sind deshalb längst nicht alle AfD-Abgeordneten und auch nicht ihre Wähler, auch wenn viele aus dem linken Spektrum davon überzeugt sind. Der Begriff wird entwertet, wenn man ihn inflationär verwendet. Das heißt aber nicht, dass wir nicht wachsam sein müssen. Die AfD hat die Debattenkultur verändert, im Bundestag und außerhalb, und sie wird sie weiter verändern.

Kein Allheilmittel gegen den Populismus

Wie also umgehen mit den Neuen? Ignorieren? Ausgrenzen? Das Gespräch suchen? Es gibt kein Allheilmittel gegen den Populismus. Kein Wunder, dass diese Frage alle Parteien umtreibt, den Bundestag bereits seit Monaten beschäftigt. Noch ehe klar war, ob die AfD dort tatsächlich Platz nehmen kann, haben die anderen Parteien die Regeln verändert.

Sie wollten verhindern, dass einer wie Wilhelm von Gottberg, der den Holocaust relativiert hat, Alterspräsident werden kann. Das mag man richtig finden oder nicht, nur wurde leider nicht deklariert, wem die Regeländerung galt. Dieses Lavieren illustriert das Dilemma, in dem sich die Parteien bewegen. Je mehr man die AfD ausgrenzt, desto stärker kann sie sich in ihrer Rolle als Opfer „des Systems“ einrichten. Sie beherrscht sie mindestens so virtuos wie die Kunst der Provokation.

Der erste Eklat ist bereits inszeniert. Für das Amt des Bundestags-Vizepräsidenten hat die AfD Albrecht Glaser nominiert, der dem Islam die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit abspricht. Die anderen Fraktionen werden ihn aller Voraussicht nach nicht wählen. So einen Fall gab es schon einmal, 2005 fiel der Kandidat der Linken, Lothar Bisky, viermal durch. Geschadet hat das der Linkspartei seinerzeit nicht. Auf diesen Effekt setzt die AfD, sie will an Glaser in allen Wahlgängen festhalten.

AfD kann nur inhaltlich entzaubert werden

Das kann ebenfalls nur als Kampfansage verstanden werden. Umso wichtiger ist es, dass die anderen Parteien deutlich Position beziehen – und Grenzen definieren. Es wäre sehr unklug, der AfD grundsätzlich das Amt eines Vizepräsidenten abzusprechen. Vielmehr müssen sie klarmachen, dass sie nur einen Kandidaten akzeptieren, der sich zum Grundgesetz bekennt. Auch andere Posten darf man der AfD nicht einfach vorenthalten, es gibt aber auch hier Grenzen. Jemand, der Verbindungen zu extremen Rechten hat, kann nicht in sensiblen Gremien sitzen. Falsch ist es auch, auf jede Provokation einzugehen. Das geschieht ohnehin viel zu oft. Die Empörungswellen in den sozialen Netzwerken und die Skandalisierung von Nichtigkeiten nutzen der AfD nur. Manchmal wäre Ignorieren durchaus eine Alternative.

Wichtigstes Leitmotiv muss sein, weniger zu reagieren als zu agieren. Also nicht die AfD rechts überholen zu wollen, wie es die Union debattiert. Nicht in der Flüchtlingspolitik sich auch von links noch weiter an sie anzunähern, wie es Sahra Wagenknecht fordert, sich überhaupt nicht nur auf dieses eine Thema einengen zu lassen. Zu stellen – und zu entzaubern – ist die AfD nur inhaltlich. Was hat sie beizutragen zu einer Rentenreform, einem besseren Pflegesystem oder einer gerechteren Verteilung des Reichtums? Kaum etwas, das wird sich schnell herausstellen. Politik muss sich erklären, immer wieder aufs Neue. Das ist ein mühseliges Geschäft, und es gehört Mut dazu.