Weltweit mehr als 700 Hinrichtungen im 2009
Berlin/dpa. - Trotz Ächtung der Todesstrafe in den meisten Ländern der Welt sind im vergangenen Jahr weit mehr als 700 Menschen hingerichtet worden. In ihrem jüngsten Jahresbericht zur Todesstrafe listet die Hilfsorganisation Amnesty International für 2009 insgesamt 714 Todesurteile auf.
Mangels zuverlässiger Zahlen fehlt in der Statistik China, das in jüngster Zeit stets das Land mit den meisten Hinrichtungen war. Amnesty schätzt, dass allein dort wieder mehrere tausend Menschen exekutiert wurden. Auf China folgen der Iran und der Irak. Aber auch in Europa wird noch von Staats wegen getötet: Nach Amnesty-Angaben wurden erst in diesem Monat in Weißrussland zwei verurteilte Mörder erschossen. Der Bericht wird an diesem Dienstag veröffentlicht.
Ohne die Zahlen aus China lässt sich die Entwicklung insgesamt nur schwer vergleichen. 2008 kam Amnesty weltweit auf mindestens 2390 vollstreckte Todesurteile, davon mehr als 1700 in der Volksrepublik. Bereits damals hieß es jedoch, die tatsächliche Zahl liege «um ein Vielfaches höher». Die Schätzungen anderer Menschenrechtler reichen für China bis zu 10 000 Hinrichtungen pro Jahr. In der Volksrepublik wird die Vollstreckung von Todesurteilen vielfach als Staatsgeheimnis behandelt.
Mit dem neuen Bericht verzichtet Amnesty erstmals in seiner Geschichte auf die Erhebung von weltweiten Zahlen. Todesstrafen- Experte Oliver Hendrich begründete dies damit, dass Peking frühere Jahresberichte als Beweis für einen vermeintlichen Rückgang der Hinrichtungen benutzt habe. «Wir wollen uns von der chinesischen Führung nicht länger instrumentalisieren lassen», sagte Hendrich der Deutschen Presse-Agentur dpa. In der Volksrepublik würden immer noch mehr Menschen von Staats wegen getötet als im gesamten Rest der Welt.
Auf Platz zwei der Statistik liegt der Iran (mindestens 388 Exekutionen), gefolgt vom Irak (mindestens 120), Saudi-Arabien (mindestens 69) und den USA (52). Der Iran und Saudi-Arabien lassen auch Minderjährige hinrichten. In Saudi-Arabien werden Delinquenten zudem immer noch öffentlich enthauptet. Zu den insgesamt 18 Ländern, die die Todesstrafe vergangenes Jahr vollstrecken ließen, gehören auch der Jemen, Sudan, Vietnam, Syrien und Japan. Amnesty betonte, dass in Staaten wie dem Iran die Todesstrafe auch benutzt werde, um politische Gegner zum Schweigen zu bringen.
In Europa wurde nach den Amnesty-Zahlen im gesamten Jahr niemand exekutiert - erstmals in der Geschichte, was die Menschenrechtler als großen Erfolg werteten. In der nächsten Statistik wird allerdings auch der europäische Kontinent wieder vertreten sein. In Weißrussland wurden Mitte März zwei verurteilte Mörder hingerichtet. Der Präsident der ehemaligen Sowjetrepublik, Alexander Lukaschenko, lehnte eine Begnadigung ab.
Insgesamt stellt Amnesty im Kampf für eine weltweite Ächtung der Todesstrafe Fortschritte fest. Mittlerweile sei sie in 139 Ländern de facto abgeschafft. Mit Burundi und Togo reihten sich zwei weitere afrikanische Staaten in die Liste der Länder ein, in denen Hinrichtungen verboten sind. Staaten wie Indonesien, Afghanistan und Pakistan verzichteten erstmals seit Jahren komplett auf Exekutionen.
Dennoch wurden 2009 weltweit immer noch mehr als 2000 Menschen zum Tode verurteilt. Insgesamt sitzen weltweit derzeit mehr als 17 000 Menschen in Todeszellen ein. In Westdeutschland fand die letzte Hinrichtung 1949 statt, in der DDR 1981.