Welternährungstag Welternährungstag: Jede Sekunde stirbt ein Mensch an Folgen der Unterernährung

Genf/dpa. - Jede Sekunde stirbt ein Mensch an den Folgen derUnterernährung, fast 100 000 sind es jeden Tag, mehr als 30 Millionenjedes Jahr. In Zeiten von Gen-Pflanzen und High-Tech-Landwirtschaftbleibt der Hunger die Todesursache Nummer eins in der Welt: Nochimmer sterben laut Welternährungsprogramm (WFP) mehr Menschen anUnterernährung als an Aids, Malaria und Tuberkulose zusammen, und derHunger fordert auch mehr Opfer als alle Kriege. Neu sind die Zahleninsgesamt nicht. Sie werden alljährlich zum Welternährungstag am 16.Oktober verbreitet, zusammen mit Appellen von Politikern,Gesundheitsexperten und Hilfsorganisationen. Doch zum Guten geänderthat sich wenig.
«Die schockierende Nachricht ist: Der Hunger nimmt zu», sagt derUN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler. Imvergangenen Jahr litten rund 842 Millionen chronisch an Hunger, mehrals 1996, als der Welternährungsgipfel in Rom ein ehrgeizigesProgramm verabschiedete: Bis 2015 sollte die Zahl der Unterernährtenweltweit halbiert werden. Dass dies erreicht werden kann, glaubtheute kaum noch jemand.
«Die internationale Gemeinschaft tut sogar weniger als vor fünfJahren, um chronisch hungernden Familien beim Überleben zu helfen»,stellt WFP-Direktor James Morris fest. Die Nahrungsmittelhilfeweltweit sei von 15 Millionen Tonnen 1999 auf 10 Millionen 2003gesunken. Ein Grund sei der starke Anstieg der Nahrungsmittelpreise,aber auch der schwächere Dollar.
Weil auch der Rückgang der Artenvielfalt dieNahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, steht dieserWelternährungstag unter dem Motto «Biodiversität fürNahrungssicherheit». Es gibt auch Fortschritte. So hat sich etwa inChina die Lage verbessert. Dort klagen Experten schon über einesteigende Zahl übergewichtiger Kinder. Dafür hungern in anderenLändern mehr Menschen denn je. So stieg die Zahl in Peru laut WFP von11 Prozent 1990 auf 27 Prozent 2000. In Angola und Mozambique ist gardie Hälfte der Bevölkerung von Hunger betroffen.
Die meisten Opfer verhungern nicht im strengen Sinne. Manchetrinken verschmutztes Wasser und überleben den Durchfall nicht,andere erliegen Krankheiten, die bei guter Ernährung nichtlebensbedrohlich wären. Unsaubere Nahrungsmittel sorgen lautWeltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr für zwei MilliardenKrankheitsfälle. Und Hunger bringt auch Behinderung. Alle vierMinuten verliert ein Mensch wegen Vitamin A-Mangels sein Augenlicht,Kinder bleiben in Folge von Proteinmangel geistig behindert.
Das Problem ist nicht die Produktion der Lebensmitteln. «Es istgenug zu Essen für alle da», sind sich die Experten einig.Tonnenweise werden Nahrungsmittel vernichtet, und längst gibt es mehrÜbergewichtigte als Unterernährte. Mehr als eine Milliarde Menschenschlägt sich laut WHO mit überflüssigen Pfunden herum und leidetteils an Folgekrankheiten. Der UN-Sonderbeauftragte Ziegler istsicher, dass schon jetzt die doppelte Weltbevölkerung ernährt werdenkönnte. «Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet: Esstirbt unnütz, denn es gibt keinen objektiven Mangel.»
Doch die bessere Verteilung will nicht gelingen. Hilfslieferungensind keine Dauerlösung. Zur Selbsthilfe aber fehle es den Betroffenenan finanziellen Mitteln, an Zugang zu Boden, zu sauberem Wasser undzu Bildung, sagt Ziegler. Profitinteressen verschärfen die Lage,Agrarsubventionen benachteiligen die Entwicklungsländer, derHungertod bleibt allgegenwärtig. «Dieses Massaker geschieht täglichim Wissen aller», sagt der UN-Beauftragte. «Die Leute erklären dasmeistens mit Naturgesetzlichkeit oder Überbevölkerung - beides isteine glatte Lüge: Es geht um ein ökonomisches System.»