Weihnachtsansprache Weihnachtsansprache: Bundespräsident Gauck macht Deutschen in Flüchtlingskrise Mut

Berlin - Bundespräsident Joachim Gauck hat zu einer offenen Debatte über die Lösung der Flüchtlingskrise aufgerufen. „Der Meinungsstreit ist keine Störung des Zusammenlebens, sondern Teil der Demokratie“, sagte er in seiner Weihnachtsansprache. Nur mit offenen Diskussionen und Debatten könne man Lösungen finden, die langfristig Bestand haben und von einer Mehrheit getragen werden. „Lassen Sie uns einen Weg beschreiten heraus aus falschen Polarisierungen. Gerade die solidarischen und aktiven Bürger und Bürgermeister sind es ja oft, die auf ungelöste Probleme hinweisen.“
Gewalt und Hass seien aber kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung. „Brandstiftung und Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung“, sagte Gauck in der aufgezeichneten Rede, die am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages im Rundfunk und Fernsehen ausgestrahlt wird. Der Bundespräsident vermied aber anders als im Vorjahr eine klare Stellungnahme gegen die Ausländerfeinde von Pegida und deren Umfeld. „Dass die Allermeisten von uns nicht denen folgen, die Deutschland abschotten wollen, das ist für mich eine wahrhaft ermutigende Erfahrung dieses Jahres", hatte er in seiner Weihnachtsansprache 2014 gesagt.
Er zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland die Probleme angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen bewältigen werde. Er dankte den Bürgern für ihren Einsatz dort, wo die Behörden an ihre Grenzen gekommen sind. „Tausendfach haben Sie Essen und Trinken, Decken und Kleidung gebracht, Sprachkurse organisiert und Unterstützung bei Behördengängen geleistet. Sie alle sind zum Gesicht eines warmherzigen und menschlichen Landes geworden“, sagte Gauck „Ob haupt- oder ehrenamtlich: Wir haben gezeigt, was in uns steckt – an gutem Willen und an Professionalität, aber auch an Improvisationskunst.“ Der Einzelne und die Gesellschaft könnten sich beständig neu entdecken und wachsen. „So kann sich das Land erkennen in den Herausforderungen, die es annimmt und, da bin ich zuversichtlich, auch meistern wird.“
Weihnachtsstimmung fällt dieses Jahr nicht leicht
Vielen falle es in diesem Jahr nicht leicht, in weihnachtlicher Stimmung zu sein, da es in hohem Maß gekennzeichnet war von Unglück, von Gewalt, Terror und Krieg, sagte der Präsident. Er erinnerte an die Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen und die zahlreichen Krisen, „die sich überlagerten, fast alle andauern und bei zahllosen Menschen Unsicherheit, oft auch Angst auslösen“. Er nannte die Finanzkrise und die zunehmenden Differenzen in der Europäischen Union, die intensiven Debatten um die Zukunft Griechenlands und die Konflikte in der Ukraine, Syrien, Afghanistan und in den vom Terror bedrohten Gebieten Afrikas.
Aber der Bundespräsident und ehemalige Pfarrer schloss seiner Rede auch mit einer „leisen Ermutigung“: „Die Heilige Schrift der Christen erzählt davon, dass sich im Weihnachtsgeschehen die Menschenfreundlichkeit Gottes zeigt. Es ist schön, von dieser Menschenfreundlichkeit umfangen zu werden. Aber noch schöner ist es, diese Menschenfreundlichkeit selbst zu leben und in unsere Welt hinein zu tragen.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich davon überzeugt, dass Deutschland die kommenden Herausforderungen bei der Integration bewältigen werde. „2015 wird in die Geschichte unseres Landes eingehen als das Jahr, an dem Deutschland über sich hinausgewachsen ist“, sagte er dem Mannheimer Morgen. „Wir durften ein Ausmaß an Hilfsbereitschaft und Empathie erleben, das sich in dieser Form wohl kaum jemand hätte vorstellen können.“ Er lobte den in der CDU/CSU umstrittenen flüchtlingspolitischen Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Sie habe mit der Entscheidung der Grenzöffnung für die Flüchtlinge in Ungarn „genau das Richtige“ getan.